2007 Dissertation_Christanell.pdf
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Praxisbezug kann lokales Wissen dynamischer reagieren als aus der Praxis losgelöste<br />
Theorien:<br />
„Practices are inherently more tied to the physical world and are therefore more prone<br />
to evolve as the world evolves (i.e. when species and varieties come and go from a<br />
farming system, when new agricultural materials become available, etc.), while<br />
concepts are one or more steps removed from the immediate physical world and may<br />
thus be more insulated from short-term changes.” (Brodt 2001, 108)<br />
Um Bedeutung zu erlangen, darf lokales Wissen nicht als statisch und abgehoben<br />
betrachtet werden, wie Julie Cruikshank (2001, 390) hervorhebt: „If local knowledge is to<br />
play any role in policy decisions, it cannot be treated as ahistorical, timeless, abstract<br />
data. All forms of local knowledge have histories and are transmitted within specific<br />
political and historical circumstances.“<br />
Die dieser Arbeit zugrunde liegende Forschung wurde in einer agrarisch geprägten<br />
Region Österreichs durchgeführt. Da Wetter und Klima in der Landwirtschaft eine große<br />
Rolle spielt und das lokale, bäuerliche Wissen im Mittelpunkt des Interesses des<br />
Forschungsprojektes standen, wurden fast ausschließlich Bäuerinnen und Bauern<br />
interviewt und teilnehmend beobachtet. Durch den häufigen und intensiven Umgang mit<br />
Natur, den Bäuerinnen und Bauern im allgemeinen haben, gingen wir (das<br />
Forschungsteam) davon aus, viel Wissen über Wetter und Klima aus Beobachtungen,<br />
Erlebtem, Erzähltem erfahren zu können und herauszufinden, wie Bäuerinnen und Bauern<br />
mit Wetter- und Klimaveränderungen umgehen.<br />
2.4 Sozialanthropologische und ethnoklimatologische Forschung zu Wetter,<br />
Klima und Klimawandel<br />
Als Abschluss zu den Ausführungen über Umgang mit Natur und der Bedeutung lokalen<br />
Wissens und Wahrnehmung möchte ich in diesem Abschnitt nun auf<br />
sozialwissenschaftlich geprägte Forschungen zu Wetter und Klima eingehen. Die zitierten<br />
Studien sind zum Teil sozialanthropologischen Ursprungs. Da die Gründe, lokales Wissen<br />
über und Wahrnehmung von Wetter und Klima zu erforschen, zahlreich sind, ist auch die<br />
Palette der in die Forschung involvierten Disziplinen entsprechend breit. So zeigen vor<br />
allem ForscherInnen aus der Anthropologie, der Soziologie, der Psychologie, der<br />
Ökonomie, der Agrarwissenschaft, der Meteorologie oder der Biologie Interesse an der<br />
Bedeutung von Wetter und Klima für menschliche Gesellschaften, sei es aus<br />
technischem, agrarmeteorologischem oder sozialwissenschaftlichem Interesse, um über<br />
die Beziehung Mensch-Umwelt zu lernen.<br />
„The challenge for anthropology has always been to devise guidelines for cross-cultural<br />
interpretation that enable it to teach us something useful and interesting about the human<br />
condition“ (Milton 1996, 26). Meines Erachtens ist es daher auch wichtig, entsprechende<br />
Studien anderer Disziplinen zu beachten und deren Erkenntnisse in die eigene Arbeit<br />
einfließen zu lassen. Schon alleine der Forschungskontext, in dem diese Arbeit<br />
entstanden ist, regt dazu an. So können etwa agrarklimatologische Studien 39 lehrreich<br />
sein, wenn es – wie im vorliegenden Falle – um bäuerliches Wissen über und<br />
Wahrnehmung von Wetter und Klima sowie Wetter- und Klimavorhersagen geht.<br />
39 Die Forschungsrichtung, die sich explizit mit dem Einfluss von Wetter, Witterung und Klima auf Nutztiere und –pflanzen<br />
beschäftigt, ist die Agrarmeteorologie. Die Agrarmeteorologie ist ein Teilgebiet der angewandten Meteorologie und umfasst<br />
Forschungen in der Meteorologie, die der Landwirtschaft zugute kommen bzw. sich auf die Landwirtschaft beziehen<br />
(Flemming 1991, 140-143).<br />
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