Das dynamische Paradigma in der Linguistik - Universität Bremen
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Dynam. <strong>Paradigma</strong> ______ L<strong>in</strong>guistische Anwendungen__________________<br />
a) Der Erzähltext enthält typischer Weise e<strong>in</strong> Stück erlebter Wirklichkeit. Dabei wird die<br />
Ereignisstruktur (die phänomenale Dynamik) segmentiert, typisiert, an bestimmten<br />
Stellen gerafft, an an<strong>der</strong>en gedehnt. Es passieren also Operationen auf dem<br />
Erlebnissubstrat. Als Organisationskern dient e<strong>in</strong> zentrales Ereignis, e<strong>in</strong> Wechsel, e<strong>in</strong>e<br />
Gefahr, e<strong>in</strong>e (Be<strong>in</strong>ahe-) Katastrophe, e<strong>in</strong> Schicksalsschlag usw. Diesen Aspekt beutet<br />
die Analyse von LABOV und WALETZKY (1967) aus; <strong>der</strong> Zusammenhang wurde<br />
allerd<strong>in</strong>gs schon von TOMACHEWSKI (1925/1966) literaturwissenschaftlich<br />
bearbeitet. LABOV und WALETZKY sprechen von <strong>der</strong> referentiellen Funktion.<br />
Tatsächlich ist <strong>der</strong> Bezug eher e<strong>in</strong>e mental verarbeitete, <strong>in</strong> das <strong>in</strong>nere System des<br />
Sprechers <strong>in</strong>tegrierte Ereignisstruktur.<br />
b) E<strong>in</strong> häufig im Zentrum <strong>der</strong> Aufmerksamkeit stehen<strong>der</strong> Aspekt ist die Integration des<br />
Erzählten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Relevanzstruktur, die wesentlich von <strong>der</strong> Beziehung zwischen<br />
Sprecher und Hörer geprägt ist. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Beziehung, die auch e<strong>in</strong>e<br />
generalisierte se<strong>in</strong> kann (dies trifft beson<strong>der</strong>s bei literarischen Erzählungen zu) nur<br />
e<strong>in</strong>e Kraft, welche die Erzählung bee<strong>in</strong>flusst und <strong>der</strong>en Inhalt moduliert; sie wird<br />
meist nicht direkt dargelegt. Die Inhalte <strong>der</strong> Erzählung werden auf e<strong>in</strong>e subjektive<br />
Position h<strong>in</strong> ausgerichtet; LABOV und WALETZKY sprechen von "Evaluation",<br />
TOMACHEWSKI spricht von marg<strong>in</strong>alen Motiven, welche aber für die künstlerische<br />
Aussage <strong>der</strong> Erzählung bestimmend seien.<br />
c) E<strong>in</strong>e dritte Prozessebene wird durch das soziale System <strong>der</strong> Gesprächsgruppe, durch<br />
die Diskursdynamik <strong>der</strong> Erzählung konstituiert. Auf dieser Ebene werden die<br />
Sprecherwechsel organisiert und es wird <strong>der</strong> Rahmen geschaffen, <strong>in</strong> dem sich die<br />
monologische Erzählung entfalten kann.<br />
Abb. 3.31 gibt schematisch die Beziehung <strong>der</strong> drei Prozessebenen wie<strong>der</strong>; sie sollen im<br />
Folgenden näher analysiert werden.<br />
Abb. 3.31: Drei Prozess-Ebenen <strong>der</strong> Erzählung.<br />
A. Die referentielle Ebene <strong>der</strong> Erzähldynamik<br />
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