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Das dynamische Paradigma in der Linguistik - Universität Bremen

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Dynam. <strong>Paradigma</strong> ______ L<strong>in</strong>guistische Anwendungen__________________<br />

Der Monolog beschränkt sich rhythmisch auf diese Ebenen; <strong>in</strong> <strong>der</strong> nonverbalen<br />

Kommunikation (Gesten, Blickbewegungen) und <strong>in</strong> <strong>der</strong> paral<strong>in</strong>guistischen Kommunikation<br />

(nonverbale Laute seitens des Hörers, wie mhm, Räuspern o<strong>der</strong> Gähnen) gibt es auch beim<br />

erzählerischen Monolog e<strong>in</strong>e Realisierung <strong>der</strong> <strong>in</strong>teraktionalen Dynamik:<br />

Erzählerbeitrag – nonverbale Reaktion des Zuhörers – Erzählerbeitrag...<br />

Durch diese nonverbale Rhythmik wird auch die monologische Erzählung mit e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>teraktionalen Dynamik versehen. Die evaluative Dynamik (vgl. Abschnitt 3.4.4 B) ergibt<br />

sich aus e<strong>in</strong>em Konflikt zwischen Hörerverpflichtung und Eigen<strong>in</strong>teresse des Erzählers; sie<br />

hat <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Erzählung deshalb nur e<strong>in</strong>e Phase. Wird die Alltagserzählung allerd<strong>in</strong>gs<br />

durch Beiträge des Hörers (verbal o<strong>der</strong> durch starke nonverbale H<strong>in</strong>weise) mitgestaltet, kann<br />

es auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Evaluationsbewegung zu e<strong>in</strong>em Rhythmus kommen, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs von <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>teraktionalen Dynamik abhängig ist, bzw. von dieser überformt wird. Die referentielle<br />

Dynamik br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> externes Moment <strong>in</strong> diesen Prozess h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, da die Substanz des Erzählten<br />

e<strong>in</strong> Reflex e<strong>in</strong>er früheren, <strong>der</strong> Erzählsituation fremden Dynamik e<strong>in</strong>führt. Dadurch entsteht<br />

e<strong>in</strong>e starke Konfliktzone <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskursorganisation: externe, erlebte, dynamisch autarke<br />

Geschichte -versus- <strong>in</strong>nere Dynamik des Diskurses. Der Sprecher muss <strong>in</strong> diesem Konflikt,<br />

<strong>der</strong> gleichzeitig den Reiz <strong>der</strong> Interaktion ausmacht, e<strong>in</strong>e Lösung f<strong>in</strong>den. Er kann den Stoff zur<br />

fiktiven Erzählung, zum Gerücht, zum Witz "formalisieren", so dass er genau <strong>in</strong> die Rhythmik<br />

des Diskurses passt o<strong>der</strong> er lässt die Erzählung, so wie sie ist (bzw. wie er sich an das Ereignis<br />

er<strong>in</strong>nert), und unterwirft die Präsentation lediglich e<strong>in</strong>er Adaptation an die Diskursdynamik.<br />

Die beiden Pole <strong>der</strong> Erzählstrategie s<strong>in</strong>d somit:<br />

A. B.<br />

Der Erzähler rekapituliert se<strong>in</strong>e Erfahrung<br />

primär für sich, koppelt sich<br />

lediglich formal an die Diskursdynamik<br />

an. Die Relevanz liegt<br />

primär beim Erzähler, <strong>der</strong> sich se<strong>in</strong>er<br />

Erlebniswelt im Diskurs se<strong>in</strong>er<br />

Erlebniswelt versichert und die<br />

Situation nachlebt.<br />

Der Erzähler unterwirft se<strong>in</strong>en Stoff<br />

e<strong>in</strong>er weitgehenden Verän<strong>der</strong>ung und<br />

Anpassung an die Diskursdynamik;<br />

die Erzählung ist <strong>in</strong> diesem Fall nur<br />

e<strong>in</strong>e Energiequelle des konversationellen<br />

"Motors" und besitzt ke<strong>in</strong>e eigene<br />

Re levanz für die subjektive Welt<br />

des Erzählers.<br />

Für den literarischen Erzähler stellt sich <strong>in</strong> ähnlicher Weise das Dilemma e<strong>in</strong>er schnellen<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er tiefen Wirkung <strong>der</strong> Erzählung. Befriedigt er nur die generellen Erwartungen des<br />

Publikums, so riskiert er, lediglich Unterhaltungs- o<strong>der</strong> leichte Literatur zu schaffen und im<br />

Epigonalen zu verharren. Der Erzähler, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e spezifische Lebenserfahrung für se<strong>in</strong>e<br />

symbolische Verarbeitung von Erlebnissen benützt und dies dem Leser zu vermitteln<br />

versucht, riskiert, nicht verstanden zu werden. Er kann jedoch langfristig die Gesellschaft <strong>der</strong><br />

Leser für se<strong>in</strong>e Weltsicht gew<strong>in</strong>nen und damit e<strong>in</strong>e weitaus größere Wirkung erzielen als <strong>der</strong><br />

Unterhaltungsschrifsteller.<br />

Mit diesen, vielleicht den Literaturtheoretiker anregenden Bemerkungen wollen wir<br />

dieses Kapitel abschließen. Die eigentliche wissenschaftliche Aufarbeitung <strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem<br />

Abschnitt angedeuteten Fragestellungen bleibt noch zu leisten 13<br />

.<br />

3.6 Die Dynamik <strong>der</strong> sozialen und arealen Organisation von Sprache<br />

13 Dies wird z.Zt. <strong>in</strong> dem DFG-Projekt "Narrationsdynamik" unternommen.(Projektleitung:Walter KINDT und Wolfgang<br />

WILDGEN).Wir danken <strong>der</strong> DFG für die Unterstützung.<br />

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