11.10.2013 Aufrufe

Das dynamische Paradigma in der Linguistik - Universität Bremen

Das dynamische Paradigma in der Linguistik - Universität Bremen

Das dynamische Paradigma in der Linguistik - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ynam.<strong>Paradigma</strong> ____ Dynamische Modellkonzepte____________________44<br />

Verstärkung charakterisiert. Bei höheren Lebewesen kommen feed-forward-Prozesse, d.h.<br />

Planprojektionen, projektive Anpassungen h<strong>in</strong>zu. Diese grundlegenden Eigenschaften haben<br />

e<strong>in</strong>e erste Konzeptualisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kybernetik, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie offener Systeme und<br />

schließlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie selbstorganisierter Systeme erhalten.<br />

In <strong>der</strong> Forschung s<strong>in</strong>d es aber nicht die eher technikorientierten Arbeiten <strong>der</strong> Kybernetik<br />

(vgl. Abschnitt 2.1.3), son<strong>der</strong>n die neueren thermo<strong>dynamische</strong>n Ansätze von PRIGOGINE<br />

und se<strong>in</strong>er Schule, welche im Zentrum stehen. Wir wollen <strong>in</strong> den folgenden Abschnitten die<br />

Grundideen skizzieren, die zu Anwendungen <strong>der</strong> Theorie selbstorganisieren<strong>der</strong> und<br />

dissipativer Systeme <strong>in</strong> <strong>der</strong> L<strong>in</strong>guistik führen. In Bezug auf die Theorie <strong>dynamische</strong>r Systeme<br />

bewegen wir uns auf Anwendungen zu, welche zwar über die Katastrophentheorie<br />

h<strong>in</strong>ausgehen, <strong>der</strong>en Resultate aber aufgreifen und anwenden können.<br />

2.6 Selbstorganisationsprozesse <strong>in</strong> PRIGOGINEs Theorie dissipativer Strukturen<br />

Die Theorie selbstorganisieren<strong>der</strong> Systeme baut auf die Thermodynamik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auf <strong>der</strong>en zweiten Hauptsatz (vgl. WILDGEN, 1985d: Kap. 5) auf, <strong>der</strong> die Irreversibilität <strong>der</strong><br />

Umwandlung von Energie <strong>in</strong> Wärme, d.h. den unvermeidbaren Umwandlungsverlust zum<br />

Inhalt hat. Die irreversible Thermodynamik beschreibt diesen phänomenalen Bereich. Wir<br />

können drei Ausbaustufen dieser Theorie unterscheiden:<br />

(1) Die Gleichgewichtsthermodynamik: Alle Prozesse streben irreversibel dem thermischen<br />

Gleichgewicht zu.<br />

(2) Die l<strong>in</strong>erare Nichtgleichgewichtsthermodynamik: Wird <strong>in</strong> (1) e<strong>in</strong> Maximum <strong>der</strong> Entropie<br />

angestrebt, so tendieren die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nichtgleichgewichtsthermodynamik betrachteten<br />

Systeme lediglich dazu, die Entropieerzeugung auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum zu br<strong>in</strong>gen. Dies ist<br />

dann möglich, wenn es sich um offene Systeme handelt, welche Entropie an die<br />

Umgebung abgeben können. Wir können demnach zwei Entropieflüsse unterscheiden:<br />

de S: externer Entropiefluss; das System führt Entropie ab, <br />

di S: das System erzeugt <strong>in</strong>tern Entropie.<br />

Damit <strong>der</strong> Gesamtfluss dS null wird, muss gelten deS=diS>0, d.h. die Entropieabgabe<br />

hebt die erzeugte Entropie auf. <strong>Das</strong> System wird dadurch stationär, d.h. zeitunabhängig. Diese<br />

Systeme verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n zwar lokal die Zunahme von Entropie und den Strukturverlust (auf<br />

Kosten <strong>der</strong> Umgebung), sie können aber zu ke<strong>in</strong>er Höherentwicklung, zu ke<strong>in</strong>er<br />

Strukturzunahme führen. Gerade dieses Phänomen muss aber zum<strong>in</strong>dest seit DARWINs<br />

Evolutionstheorie und implizit schon seit HERDERs Entwicklungstheorie für die<br />

Sprachtheorie erklärt werden.<br />

(3) <strong>Das</strong> sche<strong>in</strong>bare Schwimmen gegen den Strom des Strukturverlustes, <strong>der</strong> Aufbau von<br />

Struktur wird erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Thermodynamik fern des Gleichgewichts erfassbar (mit gewissen<br />

E<strong>in</strong>schränkungen vgl. WEIZSÄCKER, 1986:50 f.). Werden Schwankungen <strong>in</strong> den<br />

Systemen unter (1) und (2) sofort gedämpft, so werden Schwankungen <strong>in</strong> den Systemen<br />

fern des Gleichgewichtes zu Strukturquellen. Die Entstehung von Ordnung durch<br />

Schwankungen (bei bestimmten Randbed<strong>in</strong>gungen) charakterisiert die Forschungsrichtung<br />

<strong>der</strong> Brüsseler Schule (PRIGOGINE, NICOLIS u.a.). Man spricht auch von <strong>der</strong><br />

Theorie dissipativer Strukturen. Wir wollen kurz das Funktionieren dieser Prozesse<br />

anhand des so genannten Brüsselators erläutern.<br />

Jantsch (1979: 56) def<strong>in</strong>iert den komplexen Begriff „als Maß für jenem Teil <strong>der</strong> Gesamtenergie [...], <strong>der</strong> nicht frei<br />

verfügbar ist und nicht <strong>in</strong> gerichteten Energiefluss o<strong>der</strong> Arbeit umgesetzt werden kann.“ Vere<strong>in</strong>fachend wird häufig von<br />

e<strong>in</strong>em Maß <strong>der</strong> Unordnung, die nach dem zweiten Satz <strong>der</strong> Thermodynamik nur zunehmen o<strong>der</strong> gleich bleiben kann.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!