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Das dynamische Paradigma in der Linguistik - Universität Bremen

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ynam.<strong>Paradigma</strong> ____ Dynamische Modellkonzepte____________________47<br />

Prozesse können bis <strong>in</strong> Bereiche <strong>der</strong> Zellentwicklung, <strong>der</strong> humanen Reifungsprozesse und des<br />

neuronalen Wachstums des Gehirns angenommen werden (vgl. SCHARF, 1983).<br />

REGELMANN und SCHRAMM (1986) s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs skeptisch ob solcher Ausweitungen<br />

<strong>der</strong> primär physiochemischen Modelle PRIGOGINEs <strong>in</strong> Bereiche <strong>der</strong> Biologie. Auch<br />

WEIZSÄCKER (1986) nimmt zum<strong>in</strong>dest zusätzliche, mit PRIGOGINEs Konzepten nicht<br />

zugängliche Strukturebenen an. Diese Kritik ist <strong>in</strong>sofern auch unabhängig von konkreten<br />

Anwendungen plausibel, weil PRIGOGINE im Gegensatz zu den <strong>in</strong> Kapiteln 2.2 bis 2.5<br />

geschil<strong>der</strong>ten <strong>dynamische</strong>n Systemen ke<strong>in</strong>e eigentlich neuen Ansätze vorbr<strong>in</strong>gt, son<strong>der</strong>n eher<br />

e<strong>in</strong>e spezifische (erfolgreiche) Modellbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> physikalischen Chemie extrapoliert. In<br />

den Kap. 2.2 bis 2.5 waren dagegen mathematische (empirisch neutrale) Systeme die<br />

Startbasis (vgl. auch die Diskussionen <strong>in</strong> THOM, 1980b).<br />

2.7 Selbstreferentielle und autopoietische Systeme<br />

Bei den bisher betrachteten Strukturtypen <strong>dynamische</strong>r Systeme bestand systematisch<br />

e<strong>in</strong>e Kluft zwischen den Bereichen <strong>der</strong> eigentlichen, re<strong>in</strong>en Anwendbarkeit, die meist äußerst<br />

eng waren, und den Analogiemodellen, die davon ausgehend bis weit <strong>in</strong> die Sphäre <strong>der</strong><br />

Humanwissenschaften reichen. Mit <strong>der</strong> Synergetik HAKENs s<strong>in</strong>d komplexe physikalische<br />

Prozesse mit starker Kooperation von Teilsystemen (vgl. den Laser), mit PRIGOGINEs<br />

Theorie dissipativer Strukturen s<strong>in</strong>d chemische Katalyseprozesse beschreibbar. Im folgenden<br />

Abschnitt stellen wir Ansätze dar, welche diese L<strong>in</strong>ie bis zur Entstehung des Lebens (vgl.<br />

EIGEN und SCHUSTER, 1979) weiterführen und somit die Türe zu e<strong>in</strong>er höheren<br />

Modellbildung aufstoßen. Trotzdem bleiben die Extrapolationen auf komplexe, lebende,<br />

soziale o<strong>der</strong> gar symbolische Systeme pr<strong>in</strong>zipiell jenseits e<strong>in</strong>er exakten Mathematisierung und<br />

e<strong>in</strong>er ausreichenden empirischen Fundierung. Wir wollen diese Fortsetzung <strong>der</strong> Theorie<br />

<strong>dynamische</strong>r Systeme, bei <strong>der</strong> letztlich doch wie<strong>der</strong> die e<strong>in</strong>fachen Begrifflichkeiten <strong>der</strong><br />

vorherigen Abschnitte neu verwendet werden, kurz skizzieren und somit das Feld<br />

<strong>dynamische</strong>r Konzepte vervollständigen.<br />

Der Selbstbezug katalytischer Systeme kann gesteigert werden dadurch, dass die<br />

Katalysatoren bzw. die Katalysezyklen <strong>in</strong> verschiedenen konkurrierenden Varianten auftreten<br />

und sich schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geschlossenen Zyklus, dem sog. Hyperzyklus, reorganisieren. In<br />

JANTSCH (1982: 276-270) wird e<strong>in</strong>e ganze Hierarchie solcher Selbstorganisationsformen<br />

betrachtet. Die wachsenden bzw. nicht schw<strong>in</strong>denden Systeme werden von JANTSCH nach<br />

ihrer Wachstumscharakteristik geordnet (vgl. ibidem: 257, Abb. 33).<br />

1. Stufe: Selbstregeneration (Autopoiese)<br />

In <strong>der</strong> Chemie gibt es z.B. Reaktionsprozesse, bei denen sich Entstehen und Vergehen<br />

autokatalytischer Substanzen auf Grund bestimmter Randbed<strong>in</strong>gungen die Waage halten. (vgl.<br />

die Belousov-Zhabot<strong>in</strong>sky-Reaktion, vgl. ibidem: 64 ff. und EIGEN und WINKLER, 1979:<br />

117 sowie PLATH, 1997: 9). Genereller kann man ganze Ökosysteme wegen ihrer Recycl<strong>in</strong>g-<br />

Funktionen mit e<strong>in</strong>er solchen autopoietischen Struktur <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gen (vgl.<br />

JANTSCH, 1984: 259 f.); die globale Energiezufuhr besteht <strong>in</strong> energiereichem Licht, die<br />

Abfallstoffe s<strong>in</strong>d energiearmes Licht im Bereich <strong>der</strong> Wärmestrahlung. Diese Systeme s<strong>in</strong>d<br />

durch Prozesse des <strong>in</strong>neren Wandels mit Selbsterhaltung aber ohne notwendiges Wachstum<br />

und Evolution charakterisiert.<br />

2. Stufe: Systeme mit Wachstumsdynamik<br />

<strong>Das</strong> Wachstum kann l<strong>in</strong>ear, exponentiell o<strong>der</strong> hyperbolisch se<strong>in</strong>. EIGEN und WINKLER<br />

(1979: 264) fassen die Ergebnisse ihrer <strong>dynamische</strong>n Simulation von Wachstumsprozessen<br />

wie folgt zusammen:

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