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Das dynamische Paradigma in der Linguistik - Universität Bremen

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Dynam. <strong>Paradigma</strong> ______ L<strong>in</strong>guistische Anwendungen__________________<br />

Abb. 3.11 Entwicklung <strong>der</strong> „großen Vokalverschiebung“.<br />

Die Gesamtdynamik lässt sich anschaulich durch zwei komplementäre Prozesse<br />

beschreiben:<br />

(1) Alle Langvokale werden <strong>in</strong> Richtung /+ vorne/ verschoben, d.h. die<br />

Artikulationsstelle wird generell nach vorne (von <strong>der</strong> Glottis zum Mund)<br />

verschoben. Akustisch bedeutet dies, dass <strong>der</strong> erste Formant <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frequenz<br />

verr<strong>in</strong>gert wird (vgl. UNGEHEUER, 1962).<br />

(2) Es sieht so aus, als würden die an die obere Grenze des Formanten- bzw.<br />

Artikulationsraumes gelangten Phoneme ihren Charakter sprungartig verän<strong>der</strong>n,<br />

<strong>in</strong>dem sie von Lauten mit prototypischem Feld (Monophthonge) zu Lauten mit<br />

prototypischer Bewegung (Diphthonge) übergehen. Die Diphthonge s<strong>in</strong>d akustisch<br />

als e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Formanten F1 und F2 beschreibbar, artikulatorisch<br />

als (relativ schnelle) Bewegungen.<br />

Wir wollen für diese beiden Phänomene knappe Modellbildungsskizzen im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

Theorie <strong>der</strong> Selbstorganisation geben. Generell handelt es sich wie<strong>der</strong> um gekoppelte<br />

Prozesse, wobei e<strong>in</strong> Teilprozess den an<strong>der</strong>en autokatalytisch verstärkt. Die Ursache des<br />

Wandels kann dabei <strong>in</strong> zufälligen Fluktuationen und günstigen Randbed<strong>in</strong>gungen liegen; sie<br />

ist im gewissen S<strong>in</strong>n nicht "causa" des Wandels, son<strong>der</strong>n nur Auslöser. Die eigentlichen<br />

"causae" s<strong>in</strong>d die Selbstorganisationsprozesse im System.<br />

Wenn wir die Grenzzonen zwischen phonemischen Kategorien als Kante e<strong>in</strong>er<br />

Kuspenkatastrophe <strong>in</strong>terpretieren (vgl. Kap. 2.2), können wir die Wirkung <strong>der</strong> Zeitvariablen<br />

als kont<strong>in</strong>uierliche Verschiebung <strong>der</strong> Kuspe über den Kontrollraum beschreiben (vgl.<br />

WOODCOCK, 1978: 396). Damit geraten Punkte und Zonen, die zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt T1 auf<br />

<strong>der</strong> Stabilitätsfläche s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Wechsel h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Stabilitätsfläche. In<br />

Abb. 3.12 sehen wir unten e<strong>in</strong>e solche Zeitverschiebung für e<strong>in</strong>e Grenze und oben das globale<br />

Bild <strong>der</strong> Verschiebung e<strong>in</strong>e Funktion mit vier M<strong>in</strong>ima (= Attraktoren) relativ zur<br />

phonetischen Skala; <strong>in</strong> diesem Falle an <strong>der</strong> Platzierung des ersten Formanten auf <strong>der</strong><br />

Frequenzachse gemessen).<br />

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