Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...
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und naturfeindliches Verhalten die materielle<br />
Existenzgrundlage auch ihres scheinbar<br />
so bevorzugten Geistes, ihrer Ratio.<br />
Indem <strong>Nietzsche</strong>, der Umwerter der Werte,<br />
derart auch die idealistisch-ethischen<br />
Werte umwertet, vertritt er de facto auch<br />
eine sinnlich-materialistische Ethik. Faszinierend<br />
ist auch <strong>Nietzsche</strong>s betont atheistische<br />
Ausformung seines Materialismus:<br />
„Welches sind die tiefen Umwandlungen,<br />
welche aus den Lehren kommen müssen,<br />
daß kein Gott <strong>für</strong> uns sorgt und daß es<br />
kein ewiges Sittengesetz gibt (atheistisch<br />
unmoralische Menschheit)? daß wir<br />
Thiere sind? Daß unser Leben vorbeigeht?<br />
daß wir unverantwortlich sind? – der Weise<br />
und das Thier werden sich nähern und<br />
einen neuen Typus ergeben!“ (CM 9,461)<br />
Anmerkungen:<br />
1<br />
erschienen im Bouvier Verlag Herbert Grundmann,<br />
Bonn 1987.<br />
Die <strong>Nietzsche</strong>-Zitate in meinem vorliegenden<br />
Aufsatz sind dieser überaus lesenswerten Arbeit<br />
entnommen. CM bezeichnet die Quelle dieser<br />
Zitate: neueste Colli-Montinari-Ausgabe der<br />
<strong>Nietzsche</strong>-Werke. Weitere Zitate entstammen<br />
kleineren Publikationen des Verf.: „Leidensweg<br />
der Lust“ (LL) von 1987 und „Ludwig Feuerbach<br />
– Kurzgefaßte Zitatenauslese A-B-C – Praxis<br />
und Theorie des atheistischen Humanisten<br />
<strong>für</strong> das 20. und 21. Jahrhundert“ (LF), 3. Auflage,<br />
2000.<br />
2<br />
Hervorhebung durch Verf.<br />
<strong>Nietzsche</strong> gab schon mit diesem seinem<br />
einen, hier kurz wiedergegebenen (dreiteiligen)<br />
Gesicht eine Menge Anregungen<br />
<strong>für</strong> die längst fällige Humanisierung unseres<br />
„menschlich-all<strong>zum</strong>enschlichen“<br />
Lebens. Diese Humanisierung hat eben die<br />
Entgöttlichung unseres Lebens zur Voraussetzung.<br />
Wir empfinden es dann mit<br />
<strong>Nietzsche</strong> nicht mehr als Kränkung, daß<br />
wir nicht von einem göttlichen Geist abstammen.<br />
Im Gegenteil: Wir Menschen<br />
nehmen dankbar unseren angestammten<br />
Platz in der Reihe der Lebendigen, in der<br />
Evolution der Tiere ein. Der natürlichen<br />
Gesetzmäßigkeit der Evolution verdanken<br />
wir mehr Sicherheit und Geborgenheit als<br />
der Willkürherrschaft eines Schöpfergottes<br />
und Welttyrannen.<br />
Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000 101