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Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...

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haft“ gesehen. Im Übrigen ist eine solche<br />

Definition von „Kultur“ alles andere als<br />

selbstverständlich und allgemeingültig ...<br />

Dieser „ersten Weihe“ hier teilzunehmen<br />

läßt <strong>Nietzsche</strong> nun eine zweite folgen, in<br />

der man vom Menschen verlangt „die<br />

That, das heisst den Kampf <strong>für</strong> die Kultur<br />

und die Feindseligkeit gegen Einflüsse,<br />

Gewohnheiten, Gesetze, Einrichtungen, in<br />

welchen er nicht sein Ziel wiedererkennt:<br />

die Erzeugung des Genius.“ Beiläufig<br />

werden also hier alle Einrichtungen, die<br />

nicht der Erzeugung des Genius dienen,<br />

offenbar zur „Unkultur“ erklärt:<br />

„Dem, welcher sich nun auf die zweite<br />

Stufe zu stellen vermag, fällt zuerst auf,<br />

wie ausserordentlich gering und selten<br />

das Wissen um jenes Ziel ist, wie allgemein<br />

dagegen das Bemühen um Kultur<br />

und wie unsäglich gross die Masse von<br />

Kräften, welche in ihrem Dienste verbraucht<br />

wird. Man fragt sich erstaunt:<br />

ist ein solches Wissen vielleicht gar nicht<br />

nöthig? Erreicht die Natur ihr Ziel auch<br />

so, wenn die Meisten den Zweck ihrer<br />

eignen Bemühung falsch bestimmen?<br />

Wer sich gewöhnt hat, viel von der unbewussten<br />

Zweckmässigkeit der Natur<br />

zu halten, wird vielleicht keine Mühe<br />

haben zu antworten: „Ja, so ist es! Lasst<br />

die Menschen über ihr letztes Ziel denken<br />

und reden was sie wollen, sie sind<br />

doch in ihrem dunklen Drange des rechten<br />

Wegs sich wohl bewusst.“ Man<br />

muss, um hier widersprechen zu können,<br />

Einiges erlebt haben; wer aber<br />

wirklich von jenem Ziele der Kultur<br />

überzeugt ist, dass sie die Entstehung<br />

der wahren Menschen zu fördern habe<br />

und nichts sonst und nun vergleicht,<br />

wie auch jetzt noch, bei allem Aufwande<br />

und Prunk der Kultur, die Entstehung<br />

jener Menschen sich nicht viel von<br />

einer fortgesetzten Thierquälerei unterscheidet:<br />

der wird es sehr nöthig<br />

befinden, dass an Stelle jenes „dunklen<br />

Drangs“ endlich einmal ein bewusstes<br />

Wollen gesetzt werde. 21 Und<br />

das namentlich auch aus dem zweiten<br />

Grunde: damit es nämlich nicht mehr<br />

möglich ist, jenen über sein Ziel unklaren<br />

Trieb, den gerühmten dunklen Drang<br />

zu ganz andersartigen Zwecken zu gebrauchen<br />

und auf Wege zu führen, wo<br />

jenes höchste Ziel, die Erzeugung des<br />

Genius, nimmermehr erreicht werden<br />

kann. Denn es giebt eine Art von missbrauchter<br />

und in Dienste genommener<br />

Kultur – man sehe sich nur um! Und<br />

gerade die Gewalten, welche jetzt am<br />

thätigsten die Kultur fördern, haben dabei<br />

Nebengedanken und verkehren mit<br />

ihr nicht in reiner und uneigennütziger<br />

Gesinnung.“<br />

Man sieht leicht: Sloterdijk in seiner<br />

„Menschenpark“-Rede und <strong>Nietzsche</strong><br />

sind sich hier im Ansatz völlig einig: der<br />

Mensch als Art soll sein Schicksal selbst<br />

in die Hand nehmen, soll das „große Individuum“<br />

gezielt hervorbringen – der Unterschied<br />

liegt allein in den Mitteln. Wie<br />

Sloterdijk in genannter Rede so ist auch<br />

<strong>Nietzsche</strong> mit dem bisher durch die Natur<br />

hervorgebrachten Menschen und dessen<br />

Umgang mit der Kultur völlig unzufrieden:<br />

„Da ist erstens die Selbstsucht der Erwerbenden,<br />

welche der Beihülfe der<br />

Kultur bedarf, und ihr <strong>zum</strong> Danke da<strong>für</strong><br />

wieder hilft, aber dabei freilich zugleich<br />

Ziel und Maass vorschreiben<br />

möchte. Von dieser Seite kommt jener<br />

beliebte Satz und Kettenschluss her, der<br />

116 Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000

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