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Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...

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Hermann Kraus (Fürth/Bay.)<br />

<strong>Nietzsche</strong>s verschiedene Gesichter<br />

Ein recht unbekanntes Gesicht <strong>Nietzsche</strong>s<br />

entnimmt der Nürnberger Autor Reinhard<br />

Knodt den Werken des heiß umstrittenen<br />

Philosophen in seinem Buch „<strong>Friedrich</strong><br />

<strong>Nietzsche</strong> – die ewige Wiederkehr des<br />

Leidens“. 1<br />

1. <strong>Nietzsche</strong> als Anarchist, soweit er nicht<br />

den Staat, sondern das Individuum bevorzugt.<br />

2. <strong>Nietzsche</strong> als „grüner“ Warner vor der<br />

ungebremsten Expansion der Industrie,<br />

Folge eines wissenschafts- und fortschrittsgläubigen<br />

Anteils an der historischen<br />

Aufklärung – <strong>Nietzsche</strong> leistet<br />

also damit Aufklärung auch über die<br />

historische Aufklärung.<br />

3. <strong>Nietzsche</strong> als sinnlich orientierter Materialist,<br />

auf den Spuren Ludwig Feuerbachs.<br />

Ad 1) <strong>Nietzsche</strong> der Anarchist<br />

Mittels seines „Willen zur Macht“ soll das<br />

Individuum (voll Lust an seiner Kraft) der<br />

Reduzierung seines vollen Lebens auf<br />

Abschaffung, Vermeidung und Versöhnung<br />

mit dem Leiden Widerstand leisten.<br />

Das Leid, vor allem infolge des gesellschaftlichen,<br />

letztlich staatlichen Anpassungsdruckes,<br />

stimuliert dabei das Individuum<br />

dazu, gerade noch mehr Lust –<br />

als ohne das Leid! – zu gewinnen: „Nicht<br />

die Befriedigung des Willens ist Ursache<br />

der Lust, sondern daß der Wille vorwärts<br />

will und immer wieder Herr über das wird,<br />

was ihm im Wege steht: das Lustgefühl 2<br />

liegt gerade in der Unbefriedigung des<br />

Willens – darin, daß er ohne die Grenzen<br />

und Widerstände noch nicht satt genug<br />

ist...“ (CM 13, 38)<br />

Ideologische Gegner dieses sehr positiv<br />

wirksamen Individualismus sind die<br />

Staatsphilosophie und (vorher) die Staatsreligion.<br />

So verdrängen auch die rationalistische<br />

Wissenschafts- und entsprechende<br />

Fortschrittsgläubigkeit das eigentlich<br />

sehr heilsame Leidensbewußtsein durch<br />

(Zweck-) Optimismus. Nach deren (verweltlichten<br />

christlichen) Normen werde<br />

der Einzelne sowohl als „Bürger“ verhindert,<br />

als der er „in erborgten Manieren einhergeht“,<br />

als auch als „Mensch“, da er von<br />

seinem „innersten Wesenskern“ abgeschnitten<br />

ist. <strong>Nietzsche</strong>s fordernde Fragestellung:<br />

„Wie erhält Dein, des Einzelnen<br />

Leben den höchsten Werth, die tiefste<br />

Bedeutung?“ (CM 1,384) „Wie finden wir<br />

uns selber wieder?“ (CM 1,340) Eine politische<br />

Neuerung reiche nicht aus, „um<br />

die Menschen ein <strong>für</strong> alle Mal zu vergnügten<br />

Erdenbewohnern zu machen“. Denn<br />

so sehr soziale und ökonomische Schranken<br />

oder Institutionen die äußeren Bedingungen<br />

der Unfreiheit sein können: die<br />

Quelle von Freiheit liegt im Verhältnis der<br />

Einzelnen zu den gesellschaftlichen Anforderungen,<br />

denen gegenüber sie ihrer<br />

persönlichen Existenz ein bestimmtes Eigengewicht<br />

zu geben haben. (CM 1,365)<br />

<strong>Nietzsche</strong> meint somit den Humanismus<br />

im persönlichen Lebensbereich (des Individuums<br />

also), der vor allem vom zu überwiegend<br />

„gesellschaftverändernden“ Marxismus<br />

sträflich vernachlässigt wird. Hier<br />

sind also Anleihen beim Anarchismus<br />

möglich und unbedingt angebracht.<br />

Die Brücken vom Zustand der Anpassung<br />

hin zur tätigen Selbstverwirklichung des<br />

98 Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000

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