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Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...

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Manfred, Nachklang, Hymnus) genau<br />

so wie in den Freundschaften selber. ...<br />

In so verschiedene Phasen die Kompositionstätigkeit<br />

aufteilbar scheint, ein<br />

Grundzug hält alles, von den ersten<br />

Versuchen bis <strong>zum</strong> »Hymnus« zusammen:<br />

beinahe alle Kompositionen hat<br />

<strong>Nietzsche</strong> zu Geschenkzwecken oder<br />

Widmungen benutzt, die meisten sind<br />

sogar nur darum entstanden. Es sind<br />

ganz persönlich gerichtete Kundgebungen<br />

seiner Neigung und stehen darum<br />

in ihrem Wesen dem Brief näher als<br />

dem philosophischen Werk; sie haben<br />

einen durch die Art der Musik gegebenen<br />

gehobenen Aussagewert in einer<br />

durchaus persönlichen Weise. Obwohl<br />

sich Stileinflüsse verschiedener Komponisten<br />

aufzeigen lassen, wie Beethoven,<br />

Schumann, Chopin, Liszt, so eignet<br />

ihnen doch ein spezifischer <strong>Nietzsche</strong>scher<br />

Zug der Melancholie. Auffallend<br />

ist das völlige Fehlen Wagnerscher<br />

Einwirkung. Die Dämonie und<br />

Gefühlsmächtigkeit Wagners blieb dem<br />

Musiker <strong>Nietzsche</strong> fremd, als Musiker<br />

war er nie »Wagnerianer«.<br />

Lassen Sie uns nochmals auf den Hymnus<br />

auf die Freundschaft zurückkommen, dessen<br />

erste Erwähnung im Schreiben an<br />

Rohde 21 vom 5. Mai 1873 zu finden ist:<br />

Nun, so wollen wir denn unser Dasein<br />

weiterschleppen und den Vers meines<br />

Freundschaftshymnus singen, welcher<br />

anfängt „Freunde, Freunde! haltet fest<br />

zusammen!“ Weiter habe ich das Gedicht<br />

doch noch nicht: doch der Hymnus<br />

selbst ist fertig. ... Ich dachte, es<br />

würden während des Briefschreibens<br />

einige Herren Studenten kommen, um<br />

zu meinem Collegio sich an<strong>zum</strong>elden.<br />

Denn es war meine Stunde; aber es ist<br />

keiner gekommen. Wehe! Wehe!<br />

Es war dies die Zeit nach dem Wilamowitz-Angriff<br />

auf die Geburt der Tragödie,<br />

was dazu führte, daß <strong>Nietzsche</strong>s<br />

Vorlesungen in Basel zunächst gemieden<br />

wurden – und so nimmt es nicht Wunder,<br />

daß <strong>Nietzsche</strong> das Freundschaftsideal<br />

hochhält.<br />

Ross 22 erläutert das weitere Schicksal des<br />

Hymnus: „Es ist <strong>Nietzsche</strong>s letzte Komposition,<br />

als Geschenk <strong>für</strong> die Freunde und<br />

als ‚Bundeshymne‘ gedacht. Acht Jahre<br />

später, 1882, muß sie noch einmal herhalten:<br />

Lou Salomés Gedicht ‚Gebet an das<br />

Leben‘ – wiederum ein Hymnus, aber kein<br />

Bund mehr wird ihn gemeinsam singen<br />

oder spielen – wird mit Hilfe der Motive<br />

des Freundschaftsliedes vertont.“<br />

<strong>Nietzsche</strong> hatte sich verliebt – bekanntlich<br />

ist dies, wie wir spätestens seit Goethe<br />

wissen, den schöpferischen Kräften oft<br />

förderlich, und so ist <strong>Nietzsche</strong> Feuer und<br />

Flamme, ein Gedicht von Lou Salomé,<br />

deren „Lebensgebet“, zu vertonen, in dem<br />

er zu diesem Zeitpunkt seine eigene Philosophie<br />

wiederzuerkennen meint. Um<br />

den 16. September 1882 schreibt er aus<br />

Leipzig an Lou 23 :<br />

Inzwischen hat der Prof. Riedel hier,<br />

der Präsident des deutschen Musik-Vereins,<br />

<strong>für</strong> meine „heroische Musik“ (ich<br />

meine Ihr „Lebens-Gebet“) Feuer gefangen<br />

– er will es durchaus haben, und<br />

es ist nicht unmöglich, daß er es <strong>für</strong> seinen<br />

herrlichen Chor (einen der ersten<br />

Deutschlands, „der Riedelsche Verein“<br />

genannt) zurecht macht. Das wäre so<br />

ein kleines Weglein, auf dem wir beide<br />

zusammen zur Nachwelt gelangten –<br />

24 ,25<br />

andere Wege vorbehalten.<br />

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000 61

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