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Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...

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Und an Georg Brandes, der mit Universitätsvorlesungen<br />

gerade <strong>Nietzsche</strong>s Philosophie<br />

in Skandinavien bekannt machte,<br />

schreibt er aus Turin 30 unter dem<br />

04.05.1888:<br />

Der „Hymnus auf das Leben“ wird dieser<br />

Tage seine Reise nach Kopenhagen<br />

antreten. Wir Philosophen sind <strong>für</strong><br />

nichts dankbarer, als wenn man uns mit<br />

den Künstlern verwechselt. Man versichert<br />

mich übrigens von seiten der ersten<br />

Sachverständigen, daß der Hymnus<br />

durchaus aufführbar, singbar, und in<br />

Hinsicht auf Wirkung sicher sei (– rein<br />

im Satz: dies Lob hat mir am meisten<br />

Freude gemacht). Der vortreffliche Hofkapellmeister<br />

Mottl von Karlsruhe (Sie<br />

wissen, der Dirigent der Bayreuther<br />

Festaufführungen) hat mir eine Aufführung<br />

in Aussicht gestellt.–<br />

Der folgende letzte Brief an von Bülow 31<br />

bezog sich gleichzeitig auf den Wunsch<br />

<strong>Nietzsche</strong>s, dieser möge <strong>für</strong> eine Popularisierung<br />

der Musik von P. Gast einsetzen<br />

– und dieser Brief von 09.10.1888 aus<br />

Turin ist nun wirklich schon sehr bedenklich:<br />

Verehrter Herr! Sie haben auf meinen<br />

Brief nicht geantwortet. Sie sollen ein<br />

<strong>für</strong> allemal vor mir Ruhe haben, das verspreche<br />

ich Ihnen. Ich denke, Sie haben<br />

einen Begriff davon, daß der erste<br />

Geist des Zeitalters Ihnen einen Wunsch<br />

ausgedrückt hatte. <strong>Friedrich</strong> <strong>Nietzsche</strong><br />

Es wäre hier noch manches Weitere anzubringen:<br />

– Etwa das Verhältnis <strong>Nietzsche</strong>s zu seinem<br />

„Maestro“ Peter Gast (Heinrich<br />

Köselitz), der bei ihm einst als Student in<br />

Basel gehört hatte und selbst erfolglos<br />

komponierte, dessen Musik von <strong>Nietzsche</strong><br />

– wohl nicht ganz uneigennützig – gelobt<br />

wurde, da ihm dieser insbesondere zur<br />

Reinschrift seiner Druckmanuskripte unersetzlich<br />

war. Allerdings setzte sich<br />

<strong>Nietzsche</strong> auch sehr <strong>für</strong> seinen Freund ein,<br />

um dessen Kompositionen zur Aufführung<br />

zu bringen. 32<br />

– Seine oft sehr subjektiven und polemischen<br />

Invektiven, insbesondere gegen den<br />

„süßlichen Sachsen“ Schumann 33 , obwohl<br />

er selbst ihm musikalisch ja sehr nahe<br />

stand – und noch im Jahre 1865 im Brief<br />

an seine Schwester dessen „Faustmusik“<br />

als „eine seiner liebsten Sachen“ bezeichnet<br />

hatte. 34<br />

– Oder die bedenkliche Veränderung des<br />

<strong>Nietzsche</strong>schen Musikgeschmacks am<br />

Ende seiner hellen Tage, als ihn gar Operetten<br />

zu Tränen rührten ... – an dieser<br />

Stelle wäre dann der spätestens seit Mitte<br />

1888 einsetzende Einfluß von <strong>Nietzsche</strong>s<br />

Krankheit auf seine Realitätswahrnehmung<br />

zu diskutieren, der sich in der zunehmenden<br />

Euphorisierung seiner Äußerungen<br />

zeigt. Und doch: selbst noch am<br />

27. Dezember 1888 – wenige Tage vor<br />

„Überschreiten des Rubico“ – kann er völlig<br />

klarsichtig, wiederum an Carl Fuchs 35<br />

schreiben: „... Das, was ich über Bizet<br />

sage, dürfen sie nicht ernst nehmen; so wie<br />

ich bin, kommt Bizet tausendmal <strong>für</strong> mich<br />

nicht in Betracht. Aber als ironische Antithese<br />

gegen Wagner wirkt es sehr stark;<br />

... Den Tristan umgehn Sie ja nicht: er ist<br />

das kapitale Werk und von einer Faszination,<br />

die nicht nur in der Musik, sondern<br />

in allen Künsten ohnegleichen ist.“<br />

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000 63

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