Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...
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menschlichen Geistes in Verbindung mit den<br />
naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der<br />
Gehirnforschung.<br />
24<br />
s. dazu auch Helmut Walther, Die Wiederentdeckung<br />
der Sinnlichkeit, S. 85 ff. in Aufklärung<br />
und Kritik, Sonderheft 3/1999, Schwerpunkt<br />
Ludwig Feuerbach, im Internet unter http:/<br />
/www.ludwig-feuerbach.de<br />
25<br />
Vom Wissen um die Einzigkeit des Individuums<br />
<strong>zum</strong> elitären Selbstbewußtsein der eigenen<br />
Einzigartigkeit ist es offenbar nur ein kleiner<br />
Schritt ... Sloterdijk scheint sich bei <strong>Nietzsche</strong><br />
nicht nur dies elitäre Moment abgeschaut zu haben,<br />
sondern auch dessen Stilmittel der polemischen<br />
Überspitzung; beiden wurde und wird sicher<br />
nicht zu Unrecht das Etikett „Schreihals“<br />
umgehängt. Nun ist eine solche Schreibweise am<br />
Platze, wenn das Publikum in die Reflexion eingetreten<br />
ist, wie es schon Kierkegaard kritisierte,<br />
und auf die leisen Töne nicht mehr reagiert –<br />
und der „Erfolg“ gibt beiden insoweit durchaus<br />
recht; allerdings sollte die mit solcher Über-Reizung<br />
erregte Aufmerksamkeit dann auch den<br />
Blick auf Inhalte und eine Persönlichkeit freigeben,<br />
die uns in Wort und Beispiel etwas zu sagen<br />
haben. Für <strong>Nietzsche</strong> gilt dies.<br />
26<br />
Allerdings schon in diesem Werk (2. UZB)<br />
zeigt <strong>Nietzsche</strong> seine subjektive und gewaltsame<br />
Ein-Seitigkeit, wenn er darauf insistiert, daß<br />
es den nachwachsenden Individuen gestattet sein<br />
müsse, ehemalige Sehweisen der Welt umzustürzen,<br />
sich ersatzlos über sie hinwegzusetzen.<br />
27<br />
„Man vergilt einem Lehrer schlecht, wenn man<br />
immer nur Schüler bleibt.“ (Zarathustra I, Von<br />
der schenkenden Tugend 3)<br />
28<br />
Das Wesen der Tradition selbst, dieses kulturellen<br />
Informationspools der Menschheit, deren<br />
Bildung und Weitergabe, ihre Zugehörigkeit zu<br />
Masse und Einzelnen nehmen beide Denker<br />
nicht in gehöriger Weise wahr.<br />
29<br />
Daher sieht sich <strong>Nietzsche</strong> selbst ganz antidarwinistisch<br />
– obwohl er natürlich trotz allem,<br />
wenn auch einseitig, dieses Gedankengut benutzt:<br />
Er stellt allein ab auf die „Mutation“, „Innovation“,<br />
die es geradezu „zu züchten“ (!) gelte,<br />
und läßt das Wesen der Selektion dabei ganz<br />
außer Acht: Daß alle Innovation am Bestehenden<br />
ausgelesen werden muß, sei es in der genetischen<br />
bzw. epigenetisch-kulturellen Evolution.<br />
Es ist diese Einseitigkeit des „Genies um seiner<br />
selbst willen“, die <strong>Nietzsche</strong>s Ansatz so falsch,<br />
so unethisch, und so bar jeder Aufnahme aller<br />
wichtigen gesellschaftlichen Strömungen seiner<br />
Zeit macht.<br />
30<br />
So auch der amerikanische CAS-Forscher (=<br />
über die Theorie der komplexen adaptiven Systeme)<br />
Stuart Kauffmann, Träger des MacArthur<br />
Genius Award: „... unsere Wissenschaft ist zu<br />
voll von Wissen und zu arm am Können. ... Dabei<br />
brauchen wir Newton und Shakespeare!“<br />
(DER SPIEGEL 50/2000, S. 156)<br />
31<br />
Johannes M. Verweyen, Wagner und <strong>Nietzsche</strong>,<br />
Verlag von Strecker und Schröder, Stuttgart<br />
1926, S. 181,189,190<br />
130 Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000