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Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...

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fen Worte durch einen Akkord ersetzte,<br />

um eine Stimmung genauer mitzuteilen,<br />

<strong>für</strong> den Musik eine Passion war,<br />

<strong>für</strong> <strong>Nietzsche</strong> sind Töne, Klänge und<br />

Rhythmen immer Chiffren des Unsagbaren.<br />

Je mehr er an der großen symphonischen<br />

Form scheiterte, vertraute<br />

er Wesentliches dem Klavier und der<br />

Singstimme an.“<br />

Das tiefste Erlebnis <strong>Nietzsche</strong>s, sowohl im<br />

Hinblick auf seine Philosophie wie auch<br />

im Hinblick auf seine Stellung zur Musik,<br />

war sicherlich die enge Begegnung mit<br />

Wagner, den er als Student in Leipzig kennengelernt<br />

hatte, und den er in dessen<br />

Tribschener „Exil“ von Basel aus häufig<br />

besuchte. Er war sowohl von dem Menschen<br />

wie dem Musiker Wagner aufs tiefste<br />

beeindruckt – und so zieht sich die<br />

Auseinandersetzung mit Wagner durch<br />

sein ganzes Leben, seine ersten wie auch<br />

seine letzten Schriften gelten ihm, von der<br />

Geburt der Tragödie bis hin zu <strong>Nietzsche</strong><br />

contra Wagner.<br />

Kaum nach Basel gekommen, wo er mit<br />

24 Jahren auf Empfehlung seines Leipziger<br />

Lehrers Ritschl eine Professur erhalten<br />

hatte, schrieb er am 22.05.1869 kurz<br />

nach seinem ersten persönlichen Besuch<br />

in Tribschen (15.05.) an Wagner zu dessen<br />

56. Geburtstag:<br />

„Sehr verehrter Herr, wie lange habe ich<br />

schon die Absicht gehabt, einmal ohne<br />

alle Scheu auszusprechen, welchen<br />

Grad von Dankbarkeit ich Ihnen gegenüber<br />

empfinde; da sich tatsächlich die<br />

besten und erhobensten Momente meines<br />

Lebens an Ihren Namen knüpfen<br />

und ich nur noch einen Mann kenne,<br />

noch dazu Ihren großen Geistesbruder<br />

Arthur Schopenhauer, an den ich mit<br />

gleicher Verehrung, ja religione quadam<br />

denke. Ich freue mich, Ihnen an<br />

einem festlichen Tage dies Bekenntnis<br />

ablegen zu können und tue dies nicht<br />

ohne ein Gefühl des Stolzes.“ 6<br />

Bald mußte er erkennen, daß es nicht ganz<br />

so einfach war, neben diesem Genie als<br />

autodidaktischer Komponist selbst auch<br />

etwas leisten zu wollen, oder etwa andere<br />

zeitgenössische Komponisten wie Brahms<br />

zu schätzen; dazu möchte ich Ihnen zwei<br />

Episoden nicht vorenthalten:<br />

Weihnachten 1871 hatte <strong>Nietzsche</strong> seine<br />

neue Komposition Nachklang einer Sylvesternacht,<br />

die er <strong>zum</strong> Vierhändigspielen<br />

mit Overbeck aus alten Motiven „generalüberholt“<br />

hatte, Frau Cosima zu Weihnachten<br />

verehrt, war aber – in der Erinnerung,<br />

daß im Vorjahr Richard Wagners<br />

Tribschener Idyll unter dem Weihnachtsbaum<br />

gelegen hatte – wohlweislich den<br />

Vergleich scheuend selbst trotz Einladung<br />

ferngeblieben. 7 Seinem Freund Gustav<br />

Krug gegenüber schildert er die Komposition<br />

so: „Das Ganze ist auf wenig Themen<br />

aufgebaut, in der Tonfarbe freilich<br />

orchestral, ja förmlich gierig nach Orchestration,<br />

aber Du weißt – hier kann ich<br />

nicht mehr mit.“ An Rohde 8 schreibt er:<br />

„Frau Wagner, deren Geburtstag am 25.<br />

December ist ... habe ich meine ‚Sylvesternacht‘<br />

gewidmet und bin gespannt, was<br />

ich über meine musikalische Arbeit von<br />

dort aus zu hören bekomme, da ich noch<br />

nie etwas Competentes zu hören bekam.“<br />

Lassen wir den Fortgang Curt Paul Janz<br />

erzählen 9 , der 1978/79 <strong>Nietzsche</strong>s Standardbiografie<br />

vorgelegt hat und der gleichzeitig,<br />

wie wir noch sehen werden, Musikwissenschaftler<br />

ist:<br />

54 Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000

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