Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...

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1. Nietzsche litt an dem Kindheits- und Jugendtrauma des qualvollen Vatertodes, einer jeglichen Theodizee widersprechenden Elementarerfahrung, die kein Kind verkraften kann. 2. Ortlepp füllte dieses Vakuum auf magische Weise, ein Priester der Poesie und Inkarnation des Sehers, glaubwürdig für ein Kind in der Provinz genug ob der Gestalt eines erfahrungszerfurchten Gelehrten – und (vor allem!) ehemaligen Portensers. 3. Ortlepp suchte in dem kleinen – aus Selbstschutz – altklug gewordenen, pastoralen Besserwisser Nietzsche besonders jenen Widerschein des potenziell Glückenden, das ihm selbst versagt blieb. Es war wohl eine symbiotische Beziehung, nicht frei eines Eros, wie er der Magie innewohnt. 4. Dass nicht nur Nietzsche seiner Anziehungskraft verfiel, sondern Ortlepp der Pate jenes Clubs der toten Dichter in Pforte wurde, belegen einleuchtend die Studien H.J. Schmidts und R. Bohleys. 5. Die Umstände des Todes Ortlepps sind ungeklärt. Nichts spricht für eine natürliche Todesursache. Das Distanzieren von seiner Person und das Totschweigen seiner literarischen Existenz hat jedenfalls Methode. Nietzsche ist darin zumindest involviert. Er wußte, was tatsächlich am 13. und 14. Juni 1864 geschah. Das Geheimnis behielt er für sich, oder es wurde ganz gezielt nachträglich aus seiner Datenbank gelöscht. 6. Eine Mainstream-Nietzsche-Interpretation will Ortlepp totschweigen. Zu viel müsste revidiert bzw. neu geschrieben werden, sehr viel müsste entschuldigt werden. 14 Anmerkungen: 1 Dies ist der stark gekürzte Vortrag, der anlässlich Nietzsches 100. Todestages in einem Arbeitskreis des Nietzsche-Kongresses Naumburg/Saale vom 24.-27.8.2000 von mir gehalten wurde. Ausführlich in: Thomas Otto Schneider, Das Selbstbildnis des Dichters als Genie. Leben und Werk Ernst Ortlepps. Stuttgart, ab 2001 2 Vgl. dazu: Wilhelm Schapp, In Geschichten verstrickt: zum Sein von Mensch und Ding. Wiesbaden 2 1976 3 Martin Gregor-Dellin, Richard Wagner. Sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert. München 1980, S. 92: „Laube traf Wagner häufig bei Kintschy. Das war der Zuckerbäcker und Cafetier im Leipziger Rosenthal. Hinzu gesellte sich (...) der Dichter der ‚Polenlieder’, Ernst Ortlepp, aus Droyßig bei Zeitz, ein Beethoven-Verehrer und trauriger Vagant, der dann verkam und 1864 tragisch (!) im Saalegrund bei Naumburg endete.“ 4 Schon in Nietzsche absconditus sind die Fingerzeige, weiter in den Jahrbüchern der Nietzsche-Forschungt, hier vor allem: Rüdiger Ziemann. Ders. auch in: Ernst Ortlepp, Klänge aus dem Saalethal. „Dichter in tiefer Nacht. Zu Ernst Ortlepps Gedichten“. Halle 1999 – Gekrönt wird diese Spurenlese durch H.J.Schmidt, Der alte Ortlepp war’s wohl doch. Aschaffenburg 2000, ein Buch, das minutiös die gegenseitigen Verstrickungen Nietzsche, Stoeckert, Ortlepp ventiliert und letztlich akribisch mit Dokumenten belegt. Ein wissenschaftlich fundierter Anhang samt gültiger Bibliographie rundet diese Beweisführung. Dort ist auch eine überfällige Abrechnung mit jenen Exegeten musterhaft vorgeführt, die Ortlepp als lammfrommen, einfältigen Kreisligisten beharrlich zur Seite schieben suchen, wenn man von Nietzsche spricht. 5 Botho Strauß, Rumor. Roman. München 1980, S. 152 6 Strauß schreibt am 8.7.1988: „Man lebt mehr Raum, als man selbst überblickt. Das wurde mir schon öfter bewußt. Den Ortlepp, den Sie meinen, kenne ich nicht, und wenn es eine Beziehung zu ihm gibt, dann wohl nur eine okkulte. Ich kann natürlich nicht dafür bürgen, daß er mir nicht doch irgendwie aus dem Dunkel früherer Erzählungen hervorgekommen ist.“ – Eigentümlich ist hier die stilistische Parallele zu dem Brief Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000 85
Wendts über Nietzsche-Wendt-Ortlepp an Nietzsches Mutter (a.a.O.) 7 Walter Lange, Heinrich Laubes Aufstieg. Ein deutsches Künstlerleben im papiernen Leipzig. Leipzig 1923, 70/71 8 Reiner Bohley, Der alte Ortlepp ist übrigens todt. In: Literatur in der Demokratie. Hrsg.v. W.Barner, M. Gregor-Dellin, P. Härtling, E. Schmalzriedt. München 1983, S. 323 9 Ebd,. S. 329 10 Ebd., S. 331 11 Unterhaltungen mit Goethe, hrs. v. Ernst Grumbach, Weimar 1956, S. 350 12 Goethes Gespräche, III. Bd., 1.Teil, hrsg.v. Wolfgang Herwig, Zürich/ Stuttgart o.J., S. 491 13 E.O., Vorwort zu den Nachträgen zu Shakespeares Werken, Stuttgart 1840, S. 3 14 Hier setzt dankenswerterweise H.J. Schmidt ein: Wider weitere Entnietzschung Nietzsches. Eine Streitschrift. Aschaffenburg 2000. Ein Netzwerk für mehr Redlichkeit wird allerdings einen langen Atem nötig haben. Denn es bleibt unverständliche Methode, weswegen der seit den 30er Jahren bekannte Ortlepp-Nietzsche-Faden nicht weiter gesponnen wurde, der dann erst durch den 1988 verstorbenen DDR-Pastor Reiner Bohley wieder aufgenommen wurde. Zur Person des Autors: Thomas Otto Schneider, Studienrat in Schlüchtern/ Hessen, Lehrbeauftragter an der J-L-U Gießen Geb. 1958 in Neuendettelsau, Franken, Studium der Germanistik, Philosophie, Geschichte, Politikwissenschaften Arbeit an einer Monographie über Ernst Ortlepp, Präsident von Phoibos Apollon E.V.-Gesellschaft für Kultur und Wissenschaft, Vorstandsmitglied der Internationalen Multatuligesellschaft Ingelheim e.V. Mitglied der Deutschen Akademie auf Mallorca 86 Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000
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Aufklärung und Kritik Zeitschrift
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2 Aufklärung und Kritik, Sonderhef
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Lebens auf die schiefe Bahn und end
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Die verbale Konstruktion des Titels
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Seite 52 und 53: 16 Nietzsche, Der Antichrist, Bd. I
Seite 54 und 55: sche Sonaten. Sein Freund von Gersd
Seite 56 und 57: Die Beschenkte reagierte feinfühli
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