Friedrich Nietzsche zum 100. Todestag - Gesellschaft für kritische ...
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Lebens auf die schiefe Bahn und endete<br />
<strong>für</strong> die Kleinstädter als verkrachtes Genie.<br />
Ihm würde <strong>Nietzsche</strong> aber die Aufarbeitung<br />
früher Theodizeeprobleme, die Entdeckung<br />
der Griechen und sein frühes<br />
Selbstverständnis als Dichter und Musiker<br />
verdanken.<br />
Ebenfalls dem Einfluss Ortlepps auf<br />
<strong>Nietzsche</strong> ist der Beitrag von Thomas Otto<br />
Schneider gewidmet. Er bedauert den<br />
Mainstream einer <strong>Nietzsche</strong>-Interpretation,<br />
die Ortlepp vorsätzlich ausklammere,<br />
weil neue Perspektiven eine andere,<br />
grundsätzlich positivere Sicht auf <strong>Nietzsche</strong><br />
eröffnen könnten.<br />
In die Richtung dieser anderen <strong>Nietzsche</strong>-<br />
Interpretation bewegt sich eine weitere<br />
Untersuchung von Hermann Josef<br />
Schmidt. Für ihn ist der Blick auf <strong>Nietzsche</strong><br />
immer noch wesentlich durch den<br />
Faschismusvorwurf getrübt. <strong>Nietzsche</strong> sei<br />
in Wahrheit der überragende Aufklärer<br />
und Humanist, der sich in Verzweiflung<br />
und Wut über das Unverständnis seiner<br />
Zeitgenossen zugegebener Maßen in allerlei<br />
Abwegigkeiten verrennt.<br />
Nun gut! – Hermann Kraus fügt dieser<br />
Sicht weitere Gesichter <strong>Nietzsche</strong>s hinzu<br />
mit Zitaten aus eigenen und anderen Publikationen:<br />
<strong>Nietzsche</strong> der Anarchist, der<br />
„Grüne“, der sinnlich orientierte Materialist.<br />
Die Artikelreihe dieses Sonderheftes <strong>zum</strong><br />
hundertsten Todesjahr <strong>Nietzsche</strong>s beginnt<br />
mit der äußerst skeptischen Frage von<br />
Joachim Kahl: „Von <strong>Nietzsche</strong> lernen –<br />
aber wie?“ Die Reihe endet mit einem<br />
umfangreichen Beitrag von Helmut Walther<br />
unter dem Titel „<strong>Nietzsche</strong> als Erzieher“.<br />
– Wie können wir also von <strong>Nietzsche</strong><br />
lernen? Nach Ansicht des Verfassers<br />
ließe sich von <strong>Nietzsche</strong> lernen, ein kraftvolles<br />
Ja <strong>zum</strong> Dasein zu sagen, er könne<br />
Wecker eines starken Glaubens an das<br />
Leben sein und den heutigen Menschen<br />
so aus seinem matten Pessimismus aufrütteln.<br />
Diese Bedeutung werde <strong>Nietzsche</strong><br />
außerdem <strong>für</strong> alle Zeiten behalten.<br />
Schauen wir noch einmal auf den Lyriker<br />
<strong>Nietzsche</strong>:<br />
Nach neuen Meeren<br />
Dorthin - will ich; und ich traue<br />
Mir fortan und meinem Griff.<br />
Offen liegt das Meer, ins Blaue<br />
Treibt mein Genueser Schiff.<br />
Alles glänzt mir neu und neuer,<br />
Mittag schläft auf Raum und Zeit -:<br />
Nur d e i n Auge - ungeheuer<br />
Blickt mich’s an, Unendlichkeit!<br />
Neue Meere, aber auch tausend Wüsten!<br />
Ist das <strong>Friedrich</strong> <strong>Nietzsche</strong>?<br />
Was meinen Sie, liebe Leserinnen und<br />
Leser?<br />
Joachim Goetz<br />
4 Aufklärung und Kritik, Sonderheft 4/2000