Forschung & Lehre 8 | 2013
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620 SICHERHEIT STATT FREIHEIT? <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> 8|13<br />
Anerkennung<br />
globaler Dominanz?<br />
EU war US-Überwachung bekannt<br />
| THILO W EICHERT | Während zur Zeit intensiv<br />
debattiert wird, wer wann über welches Ausmaß der US-Spähaktionen hätte<br />
informiert sein können oder müssen, zeigen Studien, dass das Problem längst<br />
im Zentrum der EU angekommen war. Wie reagierten die Parlamentarier auf die<br />
Ergebnisse? Fragen an einen Datenschützer, der im Vorfeld warnte.<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>: Bereits im Januar<br />
<strong>2013</strong> wiesen Sie auf EU-Studien hin, in<br />
denen davor gewarnt wurde, dass sich<br />
US-Behörden heimlich Zugriff auf die<br />
Daten europäischer Nutzer bei Cloud-<br />
Anbietern wie Google oder Facebook<br />
verschafften. Das Problem der Datenüberwachung<br />
ist also schon länger bekannt?<br />
Thilo Weichert: Ja, aber nicht nur das.<br />
Wir wiesen darauf hin, dass die US-Sicherheitsbehörden<br />
nach US-Recht sogar<br />
befugt sind, von US-Unternehmen<br />
zu verlangen, dass ihre Tochter-,<br />
Schwester- oder Mutterunternehmen in<br />
Europa Daten herausgeben, die zuvor<br />
nicht in den USA verarbeitet wurden.<br />
F&L: Wie reagierte das EU-Parlament,<br />
das diese Studien in Auftrag gegeben<br />
hatte, auf deren alarmierende Erkenntnisse?<br />
Wie reagierte die Öffentlichkeit<br />
darauf?<br />
Thilo Weichert: Es gab kritische Stimmen<br />
im Parlament, sogar in der Kommission.<br />
Die Mehrheit nahm die Informationen<br />
– wenig „amused“ – zur<br />
Kenntnis, weil man keinen Ärger mit<br />
den Unternehmen<br />
und mit der US-Administration<br />
haben<br />
wollte. Hinzu kam,<br />
dass die Studien davon<br />
ausgingen, dass<br />
der Umfang der Zugriffe<br />
auf europäische<br />
Daten durch US-Sicherheitsbehörden<br />
erheblich geringer sei als alles, was uns<br />
jetzt über das Ableiten von Daten von<br />
US-Unternehmen, über Telekommunikationskabel<br />
oder über Drittdienste bekannt<br />
geworden ist.<br />
F&L: Warum kümmert sich die Europäische<br />
Union so halbherzig um den<br />
Schutz ihrer Bürger vor politischen<br />
Massenüberwachungen?<br />
»Die Mehrheit nahm die Informationen<br />
zur Kenntnis, weil man keinen<br />
Ärger mit den Unternehmen und mit<br />
der US-Administration haben wollte.«<br />
Thilo Weichert: Das hat viele Gründe.<br />
Natürlich gibt es wirtschaftliche Interessen,<br />
die durch die Grundrechtsschutzinteressen<br />
berührt sind. Zwar haben wir<br />
seit 2009 eine gute europäische Grundrechtecharta<br />
mit einem Recht auf Datenschutz,<br />
viele haben das aber noch<br />
nicht verinnerlicht. Manche in der EU<br />
verstehen nicht, weshalb die USA unsere<br />
Datenschutzbedenken nicht verstehen<br />
wollen. In den USA hat die Vernachlässigung<br />
des Datenschutzes historische<br />
Wurzeln, wurde bestärkt durch<br />
eine unsensible Rechtsprechung des Supreme<br />
Court, erklärt sich aber letztlich<br />
durch das Bestreben, die globale Dominanz<br />
der US-Unternehmen im Internetbereich<br />
und der US-Administration im<br />
Sicherheitsbereich zu verteidigen. Das<br />
sind für die USA knallharte Aspekte,<br />
weshalb auch kein Entgegenkommen<br />
stattfindet. Und da gibt dann Europa –<br />
wir sind ja Freunde der USA – nach,<br />
ohne dass uns richtig klar ist, dass wir<br />
damit alles andere als die „Klügeren“<br />
sind, sondern dass wir damit einer autoritären<br />
freiheitsbedrohenden globalen<br />
Informationsgesellschaft die Tür öffnen.<br />
F&L: Verspricht die geplante europäische<br />
Datenschutzreform einen besseren<br />
Schutz personenbezogener Daten von<br />
EU-Bürgern? Helfen überhaupt strengere<br />
Gesetze, wenn Datenschutzrichtlinien<br />
der EU – wie nun geschehen –<br />
durch die Hintertür außer Kraft gesetzt<br />
werden?<br />
Dr. Thilo Weichert ist Landesbeauftragter<br />
für Datenschutz des Landes Schleswig-<br />
Holstein.<br />
Thilo Weichert: Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung<br />
ist die große<br />
Chance für den Datenschutz, im<br />
weltweiten Wettbewerb zu überleben<br />
und sich evtl. sogar durchzusetzen.<br />
Flankierend müssen aber weitere Normen<br />
geändert werden, etwa die Safe-<br />
Harbor-Principles, die Abkommen zu<br />
PNR und SWIFT*, Kooperationsab-