Forschung & Lehre 8 | 2013
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8|13 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> OFFENER BRIEF 643<br />
onsfähigkeit“ steigern sollen. Dabei<br />
geht es allerdings nicht darum, die Wissenschaftsgemeinde<br />
dafür abzustrafen,<br />
dass sie das Spiel mitspielt, das wir erfunden<br />
haben. Vielmehr geht es darum,<br />
die Regeln des Spiels zu ändern.<br />
Kritiker führen an, dass die Voranmeldung<br />
übereifrig ist und das freie Forschen<br />
hemmt, sodass Zufallsbefunde<br />
unsichtbar bleiben würden. Wir teilen<br />
die Ansicht, dass freies Forschen von<br />
»Damit die Voranmeldung der<br />
Wissenschaft zugute kommt, muss<br />
sie von vielen Zeitschriften<br />
eingeführt werden.«<br />
grundlegender Bedeutung ist. Dieser<br />
Einwand ist nachvollziehbar, aber auch<br />
leicht zu entkräften. Beispielsweise erlaubt<br />
es ein angemeldeter Bericht dem<br />
Verfasser, zu beliebigen Aspekten seiner<br />
Daten zu berichten, auch dann, wenn<br />
diese Analysen zu Beginn nicht angemeldet<br />
waren. Diese Ergebnisse werden<br />
jedoch klar als Teil der freien <strong>Forschung</strong><br />
gekennzeichnet, um sie von den ursprünglich<br />
geplanten Analysen unterscheiden<br />
zu können. Außerdem müssen<br />
bei angemeldeten Berichten die Rohdaten<br />
öffentlich herausgegeben werden,<br />
damit andere Wissenschaftler die Ergebnisse<br />
jetzt und in Zukunft auch auf<br />
andere Weise untersuchen können.<br />
Unsere Veröffentlichungskultur ist<br />
konservativ und verändert sich nur<br />
langsam. Einige von uns sind nach der<br />
Initiative von Cortex bei anderen Zeitschriften<br />
auf passiven Widerstand gegen<br />
die Voranmeldung gestoßen. Dort befürchtet<br />
man, dass die Zusage zur Veröffentlichung<br />
von Artikeln vor Einsicht<br />
in die Daten zur Veröffentlichung negativer<br />
oder anderer Ergebnisse verpflichtet,<br />
die gemeinhin als „langweilig“ gelten<br />
– ungeachtet der<br />
Tatsache, dass eindeutig<br />
negative Ergebnisse äußerst<br />
informativ sein<br />
können, da sie darüber<br />
aufklären, welche potenziellen<br />
Eingriffe nicht<br />
funktionieren oder welche<br />
vermuteten Phänomene<br />
tatsächlich nicht existieren.<br />
Das eigentliche Bedenken von Fachzeitschriften<br />
ist die Sorge, dass die Voranmeldung<br />
die bestehenden Hierarchien<br />
des „Ansehens“ gefährden und<br />
den Einflussfaktor schmälern könnten.<br />
Der Impact Factor oder Einflussfaktor<br />
ist eine Kennzahl, die eher nichts über<br />
die wissenschaftliche Qualität aussagt,<br />
sondern vielmehr die Anzahl an Artikeln<br />
prognostizieren lässt, die aufgrund<br />
von Betrug zurückgezogen werden.<br />
Niemand kann von Wissenschaftlern<br />
verlangen, dass sie ihre Lebensgrundlage<br />
und die ihrer Studenten einer<br />
gute Sache opfern. Daher fordern wir,<br />
eine Gruppe von Wissenschaftlern, die<br />
in mehr als 100 Gutachterbeiräten von<br />
Fachzeitschriften vertreten sind, alle<br />
Fachzeitschriften im Bereich der empirischen<br />
<strong>Forschung</strong> in den Lebenswissenschaften<br />
einschließlich der Zeitschriften,<br />
für die wir tätig sind, auf, umgehend<br />
die Möglichkeit vorangemeldeter<br />
Artikel einzuräumen. Die Richtlinien<br />
der Initiativen von Cortex und Perspectives<br />
sind einfach gehalten. Für bestimmte<br />
Arten von Studien müssen<br />
zwar Sonderlösungen gefunden werden,<br />
aber das allgemeine Prinzip ist auf<br />
ein breites Artikelspektrum anwendbar.<br />
Damit die Voranmeldung der Wissenschaft<br />
zugutekommt, muss sie von vielen<br />
Zeitschriften eingeführt werden.<br />
Die Voranmeldung von Studien<br />
passt nicht zu allen Arten der <strong>Forschung</strong><br />
und stellt kein Allheilmittel für<br />
die Praxis des wissenschaftlichen Publizierens<br />
dar. Aber sie ist ein entscheidendes<br />
Element einer dringend erforderlichen<br />
umfassenden Reform. Unsere Veröffentlichungskultur<br />
erfüllt ihren Zweck<br />
nicht mehr, und es ist an der Zeit, Wissenschaftlern<br />
eine tragfähige Alternative<br />
zur Kultur des „Publish or Perish“ zu<br />
bieten. Wenn die Lebenswissenschaften<br />
ihr Erbe der Wahrheit bewahren wollen,<br />
müssen Zeitschriften die Voranmeldung<br />
mit offenen Armen begrüßen.<br />
Chris Chambers, Marcus Munafo und über 80<br />
Unterzeichner<br />
* Veröffentlicht in Guardian online 5. Juni<br />
<strong>2013</strong> (Übersetzung: DELTA International CITS<br />
GmbH, Bonn)<br />
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