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Forschung & Lehre 8 | 2013

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8|13 <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> SICHERHEIT STATT FREIHEIT? 623<br />

Foto: picture-alliance<br />

performativer Selbstwidersprüchlichkeit<br />

aber zerstört diese Praxis das Vertrauen,<br />

um das es angeblich geht und<br />

das immer auch darauf zielen muss, die<br />

Ausübung der Macht demokratisch zu<br />

kontrollieren. Für die Bürger heißt das:<br />

Vertraue nicht dem, der sich weigert,<br />

die Bedingungen des Vertrauens regelmäßig<br />

prüfen zu lassen. Oder: Das Vertrauen,<br />

das der Regierung unter demokratischen<br />

Bedingungen geschenkt<br />

wird, impliziert ein Zutrauen in die Urteilskraft<br />

der Vertrauensgeber. Fehlt es,<br />

verliert das Vertrauen seine Berechtigung.<br />

Das Vertrauen der Bürger<br />

untereinander<br />

Wie steht es um das Vertrauen der Bürger<br />

untereinander? Oft wird gesagt, eine<br />

allgemeine Überwachung mache jeden<br />

verdächtig und untergrabe somit<br />

auch das, was man bürgerschaftliches<br />

Vertrauen nennen kann. Wenn jeder<br />

potentiell gefährlich sein kann (warum<br />

sollte sonst jeder überwacht werden?),<br />

dann kann man vielleicht niemandem<br />

mehr vertrauen. Ob dieser radikale zivilgesellschaftliche<br />

Einstellungswandel<br />

sich tatsächlich vollzieht, ist eine empirische<br />

Frage, die sich philosophisch<br />

kaum klären lässt. Was man als „Klima“<br />

des Vertrauens oder Misstrauens bezeichnen<br />

kann, lässt sich ungemein<br />

schwer messen, am Ende kommt die<br />

quantitative Umfrageforschung, die naturgemäß<br />

ihre eigenen Probleme mit<br />

sich bringt, diesem Phänomen noch am<br />

nächsten. Nimmt man das Beispielfeld<br />

des öffentlichen Nahverkehrs, dann<br />

scheint sich unter dem Eindruck spektakulärer<br />

und massiv medialisierter Gewaltverbrechen<br />

die Bereitschaft zur verstärkten<br />

Akzeptanz von Überwachungsmaßnahmen<br />

enorm erhöht zu<br />

haben. Dieser Punkt darf nicht unterschätzt<br />

werden, auch wenn kritische<br />

Gesellschaftstheorien jeder Couleur<br />

nichts davon hören wollen. Man könnte<br />

sogar sagen, dass sich etwa durch den<br />

verstärkten Einsatz von Überwachungskameras<br />

das Vertrauen in die Sicherheit<br />

des öffentlichen Nahverkehrs deutlich<br />

»Wenn jeder potentiell<br />

gefährlich sein kann, dann kann<br />

man vielleicht niemandem<br />

mehr vertrauen.«<br />

verbessert hat. Auch mit Blick auf die<br />

Überwachung des Datenverkehrs im Internet<br />

hört man häufig Sätze wie „Wer<br />

nichts zu verbergen hat, hat nichts zu<br />

verlieren“. Wie soll man umgehen mit<br />

dieser scheinbar doch recht breiten Akzeptanz<br />

massiver öffentlicher und privater<br />

Überwachung? Ist es nicht doch<br />

ein erheblicher Unterschied, ob ich über<br />

einen öffentlichen Platz gehe, weil ich<br />

auf den zivilen Umgang der Menschen<br />

vertraue, oder ob ich es tue, weil ich<br />

weiß, dass Übergriffe schnell polizeilich<br />

erfasst werden können und dadurch<br />

(angeblich) unterbleiben? Verändert die<br />

Anwesenheit einer Kamera vielleicht<br />

sogar mein Vertrauen in das allgemeine<br />

Zivilitätsniveau? Kann ich anderen mit<br />

Kamera noch so vertrauen wie ohne<br />

Kamera?<br />

Dies sind echte und keine rhetorischen<br />

Fragen. Wenn eben von einem<br />

„Klima“ des Vertrauens oder Misstrauens<br />

gesprochen wurde, dann wird man<br />

möglicherweise nur auf dieser eher vagen<br />

Ebene antworten können. Denn<br />

auch das zeigen ja einige Studien. Der<br />

betriebene Sicherheitsaufwand<br />

entspricht oft nicht der<br />

„objektiven“ Gefahr. So gibt<br />

es U-Bahn-Stationen in München,<br />

die von den Nutzern als<br />

gefährlich eingestuft werden,<br />

obwohl die „objektive“ Gefahrenlage<br />

gleich null ist.<br />

Subjektive und objektive Gefahreneinschätzungen<br />

divergieren bisweilen dramatisch.<br />

Die massive Präsenz von Sicherheitsapparaten<br />

könnte das, was<br />

man in der Philosophie manchmal als<br />

„basales Sicherheitsempfinden“ bezeichnet,<br />

stören oder sogar zerstören.<br />

Kameras beispielsweise erzeugen dann<br />

eine schwer beschreibbare Atmosphäre

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