Leitfaden 2 - The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints
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Vater kurbelte seinen alten Chevrolet an und machte sich auf den Weg nach Ogden, ... um seinen<br />
kleinen Enkel zum Begräbnis nach Hause zu holen. Als er ankam, fand er Charles über die Leiche<br />
seines Sohnes gebeugt. Die häßliche braune Absonderung der Schwarzen Pest rann ihm aus<br />
Nase und Ohren, und er brannte förmlich vor Fieber.<br />
,Bring meinen Jungen nach Hause‘, stammelte er. ,Leg ihn ins Familiengrab, und komm morgen<br />
wieder, um mich zu holen.‘<br />
Vater brachte Kenneth nach Hause und zimmerte in seiner Tischlerwerkstatt einen Sarg. Mutter<br />
und unsere Schwestern Jennie, Emma und Hazel kleideten ihn mit einem Kissen und mit Tuch aus.<br />
Dann gingen Vater, Franz und zwei hilfsbereite Nachbarn das Grab ausheben. Zu der Zeit starben<br />
so viele Leute, daß die Familien die Gräber selbst schaufeln mußten. Auch war nur ein kurzer<br />
Gottesdienst am <strong>of</strong>fenen Grab gestattet.<br />
Die Familie war kaum vom Friedh<strong>of</strong> zurück, als das Telefon wieder läutete und George Albert<br />
(Bert) die traurige Nachricht durchgab, daß Charles gestorben war und zwei seiner kleinen<br />
Töchter – Vesta, 7 Jahre, und Elaine, 5 Jahre – schwer erkrankt waren; auch zwei der Kleinsten,<br />
nämlich der vierjährige Raeldon und die dreijährige Pauline, waren krank.<br />
Unsere Vettern, die Larkins, die ein Bestattungsunternehmen besaßen, konnten einen Sarg für<br />
Charles auftreiben und ließen ihn mit der Eisenbahn überführen. Vater und Franz holten den Sarg<br />
am Bahnh<strong>of</strong> ab und bahrten Charles auf der Veranda auf, damit die Nachbarn Abschied von ihm<br />
nehmen konnten, aber die Leute wagten sich nicht in seine Nähe, weil er ja an der Pest gestorben<br />
war. In der Zwischenzeit gingen Vater und Franz mit den Nachbarn das Grab schaufeln und einen<br />
kurzen Gottesdienst vorbereiten, bei dem der große und edle Geist von Charles Hyrum Goates<br />
seinem Schöpfer anbefohlen wurde.<br />
Am darauffolgenden Tag machte sich Vater tapfer und unerschütterlich wieder auf den Weg,<br />
dieses Mal, um Vesta zu holen, das fröhliche Mädchen mit dem rabenschwarzen Haar und den<br />
großen blauen Augen.<br />
Als er in Ogden ankam, fand er Juliette, die vor Kummer fast besinnungslose Mutter, am Bett der<br />
kleinen Elaine knien, die mit ihren blauen Augen und den blonden Locken aussah wie ein kleiner<br />
Engel. Sie schluchzte kraftlos und betete: ,Vater im Himmel, bitte nicht sie. Laß mir meine Kleine!<br />
Nimm mir nicht noch eins von meinen Lieben.‘<br />
Noch ehe Vater mit Vesta daheim war, war die nächste Schreckensbotschaft eingetr<strong>of</strong>fen. Elaine<br />
war ihrem Vater, ihrem Bruder Kenneth und ihrer Schwester Vesta gefolgt. Und so machte sich<br />
Vater ein weiteres Mal auf, um das vierte Familienmitglied heimzuholen und zu begraben – und<br />
das alles in einer einzigen Woche.<br />
Am Abend des Tages, als sie Elaine begruben, läutete das Telefon nicht, und auch am nächsten<br />
Morgen kam keine Todesnachricht mehr. Wir vermuteten, daß George Albert und seine tapfere<br />
Frau Della die beiden Jüngsten, Raeldon und Pauline, hatten retten können, obwohl sie selbst<br />
krank waren. Außerdem hatte Kusine Reba Munns, eine Krankenschwester, zu Hilfe kommen<br />
können.<br />
Nach dem Frühstück sagte Vater zu Franz: ,Wir müssen jetzt einmal aufs Feld fahren und<br />
schauen, ob wir noch eine Ladung Zuckerrüben aus dem Boden holen können, ehe sie noch<br />
fester einfrieren. Spann die Pferde an, und laß uns fahren.‘<br />
Franz holte das Vierergespann, und Vater stieg auf. Als sie die Saratogastraße entlangfuhren,<br />
kam ihnen eine ganze Reihe Wagen voller Zuckerrüben entgegen. Die Nachbarn fuhren alle zur<br />
Zuckerrübenfabrik. Jeder winkte uns zu und rief: ,Hallo, Onkel George‘, ,Mein Beileid, Onkel<br />
George‘, ,Hast’s nicht leicht, George‘, und ,Hast eine Menge Freunde, George‘.<br />
Auf dem letzten Wagen saß Jasper Rolfe, der sommersprossige Spaßvogel des Dorfes. Er winkte<br />
uns fröhlich zu und rief: ,Das ist die letzte Ladung, Onkel George.‘<br />
Vater wandte sich Franz zu und seufzte: ,Ich wünschte, das könnten wir auch sagen.‘<br />
Als sie zum Gatter kamen, sprang Franz vom großen roten Wagen, öffnete das Tor und fuhr aufs<br />
Feld. Da hielt Vater das Gespann an, verharrte einen Augenblick, schaute über das Feld – von<br />
links nach rechts und vor und zurück – und siehe da, auf dem ganzen Feld war keine einzige<br />
Zuckerrübe mehr zu sehen. Da dämmerte ihm, was Jasper Rolfe gemeint hatte: ,Das ist die letzte<br />
Ladung, Onkel George.‘<br />
Vater stieg vom Wagen und nahm eine Handvoll der guten, braunen Erde, die er so sehr liebte. In<br />
der daumenlosen Linken hielt er ein Rübenblatt, und einen Augenblick lang starrte er auf diese<br />
Sinnbilder seiner Arbeit, als könne er seinen Augen nicht trauen.<br />
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