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Leitfaden 2 - The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints

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Lektion 24<br />

,Nächste Woche wird es bestimmt besser.‘<br />

Und irgendwie schaffte ich das auch. Nach dem letzten Mähen war ich zwar erschöpft, aber ich<br />

merkte auch, daß ich mich selbst antreiben konnte. In diesem neuen Hochgefühl verlangte ich<br />

ohne zu zögern drei Dollar.<br />

In den nächsten vier, fünf Wochen schwankte ich jeden Donnerstag zwischen drei und dreieinhalb<br />

Dollar. Je vertrauter ich mit ihrem Rasen wurde – die etwas erhöhten Stellen und die Mulden<br />

kannte, wo man das Gras etwas kürzer schneiden oder etwas länger lassen mußte, damit die<br />

Rasenkante schön wurde – desto klarer wurde mir, wie der Rasen auszusehen hatte, wenn ich vier<br />

Dollar verlangen wollte. Und jede Woche nahm ich mir erneut vor, diese Grenze zu schaffen. Aber<br />

immer, wenn ich die Dreieinhalbdollargrenze erreicht hatte, war ich schon so müde, daß ich<br />

meinen Ehrgeiz, mehr zu schaffen, völlig vergaß.<br />

,Es sieht so aus, als ob du dich bei dreieinhalb Dollar eingependelt hast‘, sagte sie jedesmal,<br />

wenn sie mir das Geld reichte.<br />

,Ich glaube schon‘, antwortete ich dann, zu erfreut über das Geld, um noch daran zu denken, daß<br />

ich mir eigentlich mehr vorgenommen hatte.<br />

,Mach dir nichts draus‘, tröstete sie mich, ,schließlich gibt es nur eine Handvoll Leute, die einen<br />

Vier-Dollar-Rasen überhaupt schaffen würden.‘<br />

Zuerst waren ihre Worte tatsächlich ein Trost. Doch dann, ohne daß ich es recht merkte, wie,<br />

begann ich, mich über ihre tröstenden Worte zu ärgern, so daß ich mir vornahm, die vier Dollar zu<br />

schaffen – koste es, was es wolle. In meiner Aufregung konnte ich mich selbst sehen, wie ich auf<br />

ihrem Rasen mein Leben aushauchte, während die Gräfin sich über mich beugte, mir mit Tränen in<br />

den Augen die vier Dollar reichte und mich um Verzeihung dafür bat, daß sie mir eine solche<br />

Leistung nicht zugetraut hatte.<br />

An einem Donnerstagabend, als ich gerade versuchte, die Enttäuschung des Tages zu vergessen<br />

und einzuschlafen, traf mich mitten in solch einer Träumerei die Erkenntnis wie ein Blitz, so daß ich<br />

mich aufsetzen und nach Luft ringen mußte. Fünf Dollar mußte ich schaffen, nicht vier! Ich mußte<br />

das schaffen, was niemand schaffen konnte, weil es unmöglich war!<br />

Die Schwierigkeiten, die ich zu überwinden hatte, kannte ich. Da waren beispielsweise die<br />

Wurmhäufchen im Rasen. Möglich, daß die Gräfin sie noch gar nicht bemerkt hatte, weil sie noch<br />

so klein waren, aber da ich immer barfuß den Rasen mähte, waren sie mir aufgefallen, und ich<br />

mußte etwas dagegen unternehmen. Und die Rasenkante, die normalerweise mit der Schere<br />

geschnitten wurde, war dann auch nicht mehr gut genug: Für fünf Dollar mußte ich die Kanten mit<br />

einer Meßlatte ausmessen und anschließend exakt ausstechen. Und es gab noch weitere<br />

Schwierigkeiten, die nur ich und meine bloßen Füße kannten.<br />

Am nächsten Donnerstag ebnete ich als erstes die Wurmhäufchen mit einer schweren Walze ein.<br />

Nach zwei Stunden schon hätte ich am liebsten alles hingeworfen. Es war erst neun Uhr, und mein<br />

Wille war schon dahin! Nur durch einen Zufall fand ich heraus, wie er sich zurückgewinnen ließ.<br />

Nach der Arbeit mit der Walze setzte ich mich nämlich unter einen Walnußbaum, um ein paar<br />

Minuten auszuruhen, und dabei schlief ich ein. Als ich kurze Zeit später wieder aufwachte, sah der<br />

Rasen so frisch aus und fühlte sich unter meinen Füßen so gut an, daß ich es kaum erwarten<br />

konnte, weiterzumachen.<br />

Dieses Geheimnis wandte ich den ganzen Tag über mehrmals an. Jede Stunde schlief ich ein<br />

wenig, um mir die richtige Einstellung zu bewahren und neue Kraft zu schöpfen. Zwischen den<br />

Nickerchen mähte ich den Rasen viermal – zweimal der Länge und zweimal der Breite nach – bis<br />

er aussah wie ein samtgrünes Schachbrett. Dann grub ich um jeden Baum herum die Erde auf,<br />

zerkleinerte die großen Erdklumpen und strich die Erde mit den Händen glatt. Die Kanten stach<br />

ich ganz gleichmäßig ab, wie mit dem Zirkel gezogen. Auch das Gras zwischen den Steinen auf<br />

dem Gartenweg schnitt ich sorgfältig. Meine Hände wurden wund von der Schere, aber der<br />

Gartenweg hatte noch nie so gut ausgesehen.<br />

Um acht Uhr abends war endlich alles fertig. Ich war so stolz, daß ich sogar meine Müdigkeit<br />

vergaß, als ich zum Haus ging.<br />

,Nun, wieviel Geld bekommst du heute?‘ fragte sie.<br />

,Fünf Dollar‘, erwiderte ich und gab mir Mühe, ruhig und gelassen zu wirken.<br />

,Fünf Dollar? Du meinst vier Dollar, nicht wahr. Ich habe dir doch gesagt, daß fünf Dollar<br />

unmöglich zu schaffen sind‘<br />

,Trotzdem, ich habe es geschafft.‘<br />

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