Schwerpunkt - Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend
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<strong>Schwerpunkt</strong><br />
sierten Weltbild Kranke geworden."<br />
Die Etablierung <strong>der</strong> Wissenschaften,<br />
vor allem die Fortschritte in <strong>der</strong> Medizin<br />
und <strong>der</strong> aufkommenden Psycholo·<br />
gie führten dazu, daß man mit wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen zur Homosexualität<br />
und homosexueller Menschen<br />
begann. Trotz <strong>der</strong> vermeintlichen<br />
Objektivität gab es dabei unterschiedliche<br />
Interessen. Auf <strong>der</strong> einen Seite<br />
war man an <strong>der</strong> Aufklärung <strong>der</strong> Ursachen<br />
für Homosexualität interessiert,<br />
insbeson<strong>der</strong>e um daraus Schlußfolgerungen<br />
für therapeutische Ansätze<br />
und Verfahren zu ziehen. Es wurden<br />
zahlreiche Forschungen und Versuche<br />
unternommen, durch medizisehe Eingriffe<br />
(bespielsweise Elektroschocks<br />
und Gehirnoperationen), Therapien<br />
o<strong>der</strong> Verhaltenstraining Homosexuelle<br />
zu heilen o<strong>der</strong> auf Heterosexualität<br />
umzupolen. Obwohl bald festzustellen<br />
war, daß es in diesem Bereich keine<br />
Methode gab, die sinnvolle Aussicht<br />
auf Erfolg garantierte, wurden diese<br />
Versuche fortgesetzt. Beispielsweise<br />
wurden in den sechziger jahren dieses<br />
jahrhun<strong>der</strong>ts in bundesdeutschen Kliniken<br />
medizinische Verfahren zur Zerstörung<br />
von Teilen des Zwischenhirns,<br />
dem sog. psychochirurgischen Eingriff,<br />
entwickelt, die erst Ende <strong>der</strong> siebziger<br />
Jahre, also vor knapp 20 jahren eingestellt<br />
wurden.<br />
Die zweite Dimension <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Forschung war die, daß<br />
man sich eine Aufklärung über die<br />
Vorurteile und Fehleinschätzungen erhoffte.<br />
Wissenschaft im Dienst <strong>der</strong><br />
Aufklärung. Eine in Ansätzen sich bildende<br />
Bürgerrechtsbewegung von homosexuellen<br />
Männern entstand unter<br />
dem Engagement des Berliner Arztes<br />
Magnus Hirschfeld. Das "wissenschaftlich-humanitäre<br />
Komitee" (WhK) hatte<br />
sich (bei seiner Gründung 1897) zum<br />
Ziel gesetzt, "aufgrund sichergestellter<br />
Forschungsergebnisse und <strong>der</strong> Selbsterfahrung<br />
vieler Tausen<strong>der</strong> endlich<br />
Klarheit darüber zu schaffen, daß es<br />
sich bei <strong>der</strong> Liebe zu Personen des gleichen<br />
Geschlechts, <strong>der</strong> sogenannten<br />
Homosexualität, um kein Laster und<br />
kein Verbrechen, son<strong>der</strong>n um eine<br />
von Natur tief in einer Anzahl von<br />
Menschen wurzelnden Gefühlsrichtung<br />
handelt". Ihr Motto war: "We<strong>der</strong><br />
Kran kheit noch Verbrechen". Hirschfelds<br />
wissenschaftlich argumentierende<br />
These, daß Homosexualität auf einer<br />
angebotenen Konstitution beruhe,<br />
wurde im Zusammenhang mit den<br />
Bemühungen um eine Strafrechtsreform<br />
1909 offiziell, d. h. von staatlicher<br />
Seite, abgelehnt.<br />
Nach dem Untergang des Kaiserreiches<br />
und <strong>der</strong> Etablierung <strong>der</strong> Weimarer<br />
Republik wurden erstmals grundlegende<br />
Bürgerrechte zugestanden. Dies<br />
ermöglichte auch Homosexuellen, eigenes<br />
Schrifttum zu verbreiten und<br />
zaghaft aus dem durch Ächtung und<br />
Verfolgung erzwungenen Inkognito<br />
herauszutreten. Auch die Thematisierung<br />
von Homosexualität in Literatur,<br />
Filmen, Wissenschaft und Öffentlichkeit<br />
wurde möglich. Gerade das WhK<br />
engagierte sich sehr stark für die<br />
Abschaffung des § 175. Die entscheidende<br />
Abstimmung im Strafrechtsausschuß<br />
des Deutschen Reichstags<br />
lehnte 1929 eine Abschaffung des<br />
§ 175 mit nur 15 zu 13 Stimmen ab.<br />
Nationalsozialimus<br />
In dieser Zeit kann man bereits in<br />
Reden und Texten <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />
nachlesen, wie ihre Haltung zur<br />
Homosexualität aussah. "In <strong>der</strong> Homosexualität<br />
seien alle boshaften Triebe<br />
<strong>der</strong> judenseele" versammelt und seien<br />
"als allerschwerste, mit Strang und<br />
Ausweisung zu ahndende Verbrechen"<br />
anzusehen (1930, Stümke, S. 84). Nach<br />
<strong>der</strong> Machtergreifung setzte sich dies<br />
dann in konkrete Politik um, wobei die<br />
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