Schwerpunkt - Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend
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<strong>Schwerpunkt</strong><br />
rechtzeitig. Vielleicht wird auch einmal<br />
die Reihe an Euch kommen .... Ich halte<br />
Euch für mutig genug, selbst das bißchen<br />
Lebensunterhalt zu erwerben, für<br />
welches sich Tausende und aber Tausende<br />
verkaufen. Auch werdet Ihr nicht<br />
so kleinlich sein, Euch des armseligen<br />
Spottes wegen, <strong>der</strong> einer ,alten Jungfer'<br />
anhaftet, in das Joch <strong>der</strong> Ehe mit<br />
einem Geschöpfe zu stürzen, welches<br />
Ihr nicht verstehen und lieben könnt,<br />
welches sein gebieterisches ,Er soll<br />
dein Herr sein' schon vom ersten<br />
Augenblicke Eurer Verbindung an zu<br />
Geltung bringen möchte."<br />
Es darf nicht außer acht gelassen<br />
werden, daß beide Artikel im Jahrbuch<br />
für sexuelle Zwischenstufen, dem zentralen<br />
Publikationsorgan <strong>der</strong> neu entstanden<br />
Sexualwissenschaft, erschienen<br />
sind, zu einer Zeit, in <strong>der</strong> Frauen an<br />
deutschen Universitäten noch nicht<br />
studieren konnten. Es ist anzunehmen,<br />
daß nur wenige Frauen Zugang<br />
zu sexualwissenschaftlichen Schriften<br />
hatten.<br />
Feministinnen melden sich<br />
zu Wort •.•<br />
Die erste Frau, die mit theoretischer<br />
Schärfe und Klarheit die männliche<br />
Interpretation weiblicher Homosexualität<br />
in Frage stellt, ist die Schriftstellerin<br />
und Frauenrechtlerin johanna Elberskirchen.<br />
Sie veröffentlichte 1904 eine<br />
Schrift, in <strong>der</strong> sie ohne Umschweife die<br />
natu rwissenschaftlich-med izin ischen<br />
Theorieansätze als eine Strömung kritisiert,<br />
"welche die Emanzipation <strong>der</strong><br />
Frau auf eine sexuelle Entartung <strong>der</strong><br />
Frau (...) zurückführen will".<br />
Sie durchschaut scharfsinnig die<br />
Verdrehungen, die seitens männlicher<br />
Sexualwissenschaftier stattgefunden<br />
hat, und stellt den gesunden Menschenverstand<br />
in den Mittelpunkt:<br />
"Wenn also zwei Frauen einan<strong>der</strong> lieben,<br />
so ist diese interessante Tatsache<br />
noch lange nicht dadurch geklärt, daß<br />
man sagt, die eine repräsentiert quasi<br />
den Mann, sie empfindet männlich, die<br />
an<strong>der</strong>e, die Frau repräsentierend,<br />
weiblich, also normal! (. ..) Beide werden<br />
sie nicht zum Manne getrieben.<br />
Beide treibt <strong>der</strong> Instinkt zur Frau, zum<br />
eigenen Geschlecht. Beide lieben im<br />
an<strong>der</strong>n das eigene Geschlecht - das<br />
weibliche. Nicht das männliche. Sonst<br />
wäre doch ein homosexuelles Verhältnis<br />
überhaupt nicht möglich. Folglich:<br />
Es handelt sich hier um einen Zug zum<br />
Weiblichen - vom Weiblichen zum<br />
Weiblichen."<br />
In ihrer wissenschaftlichen Abhandlung<br />
"Homosexualität - eine bisexuelle<br />
Varietät" kommt sie fünfzehn Jahre vor<br />
Freud zu dem Resultat, daß die Homosexualität<br />
kein Entartungszustand,<br />
son<strong>der</strong>n eine Varietät <strong>der</strong> bisexuellen<br />
Anlage sei. Die bisexuelle Anlage ist für<br />
sie eine "biologische - durch keinen<br />
Sophismus aus <strong>der</strong> Welt zu schaffende<br />
Tatsache". Sie ist die Grundlage jeglicher<br />
Homosexualität.<br />
Durch den normalen Zustand <strong>der</strong><br />
Bisexualität sieht sie die Möglichkeit<br />
einer natürlichen Varietät gegeben, die<br />
sich zwischen den zwei Punkten Mann<br />
und Weib bewegt. Ihres Erachtens sind<br />
so viele Varietäten, so viele Mischungsmöglichkeiten,<br />
so viele Formenübergänge<br />
denkbar, wie Entwicklungsgrade<br />
<strong>der</strong> bisexuellen Anlage möglich sind.<br />
(Dies entspricht dem Stand <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Diskussion, wie er heute<br />
in <strong>der</strong> Debatte um Transsexualität eingenommen<br />
wird.)<br />
Von jenen Kollegen, die Homosexualität<br />
als krankhaft zu etikettieren versuchen,<br />
for<strong>der</strong>t sie fundierte Beweise<br />
ein, die belegen, daß "mit <strong>der</strong> Homosexualität<br />
notwendig ein geistiger o<strong>der</strong><br />
moralischer Defekt verbunden" sei.<br />
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