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Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen

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C. Freinet<br />

Der Sturzbach<br />

Neulich blätterte ich in einem Buch, in dem auf einem mittelalterlichen Stich spielende Kin<strong>der</strong> abgebildet<br />

waren. Und siehe da! Ich erkannte in diesen Spielen die aufregenden Spiele meiner Kindheit zu<br />

Anfang des Jahrhun<strong>der</strong>ts wie<strong>der</strong>! Und ich bin sicher, dass nichts an ihnen fehlte, die Abzählreime nicht,<br />

auch nicht die Zauberformeln und die rituellen Befehle, die dazugehören. Diese Dauerhaftigkeit muss<br />

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beschreiben will.<br />

Ich möchte einige Bemerkungen machen, ohne damit den Anspruch zu erheben, für alles eine Erklärung<br />

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Aber vielleicht helfen sie zu verstehen, welchen alltäglichen Verirrungen diejenigen unterliegen, die<br />

Erzieher o<strong>der</strong> nicht das Spiel ausbeuten, so wie sie die Trägheit, die fehlgeleitete o<strong>der</strong> die krankhafte<br />

Sucht nach Abenteuern ausbeuten.<br />

Ich denke sehr gern an die Spiele meiner Kindheit zurück und eine kleine Rührung kann ich nicht unterdrücken,<br />

wenn ich sehe, wie sie heute auf dem Dorfplatz gespielt und allen perfektionierten Spielen<br />

aus Büchern vorgezogen werden.<br />

Ich sprach einmal mit einem Ihrer Vorgänger, <strong>der</strong> mir sagte: „Das Spiel ist eine Vorbereitung auf das<br />

Leben, eine Art unbewusstes Lernen.“ Das scheint mir etwas an den Haaren herbeigezogen. Eine solche<br />

Erklärung entspricht <strong>der</strong> Besessenheit <strong>der</strong> Menschen, für alle unsere Handlungen einenguten o<strong>der</strong><br />

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sich ausdrücken, leben. Man könnte auch genauso gut sagen:<br />

Das Kind isst, um groß zu werden..., um sich dem Leben gegenüber zu stärken..., und es schläft, um<br />

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Begründungsversuche. Das Kind spielt mehr als <strong>der</strong> Erwachsene, weil es in sich eine Lebenenergie<br />

spürt, die das ganze Spektrum <strong>der</strong> Verhaltensmöglichkeiten ausprobieren will: es schreit lieber, anstatt<br />

zu sprechen, es rennt fortwährend, statt zu gehen, dann schläft es schlagartig ein, den Suppenlöffel<br />

<strong>noch</strong> im Mund und nichts kann es bis zum nächsten Morgen aufwecken. Was ihm die Menschen<br />

und die Umgebung zu tun erlauben, lastet seine lebendige Energie nicht ganz aus, es sucht weitere<br />

Beschäftigungen, die es weil es sich nicht alles selbst ausdenken kann von den Erwachsenen übernimmt<br />

und dabei nach seinen Maßstäben verän<strong>der</strong>t.<br />

Wenn wir von <strong>der</strong> Arbeit zurückkommen, sind wir müde; unser Körper und unser Sinn wollen nur <strong>noch</strong><br />

ausruhen. Wir setzen uns ruhig vors Feuer und schauen <strong>der</strong> knisternden Kohle zu, lauschen dem weichen<br />

Singen des Kessels und sagen dann und wann zu denen, die genauso müde und ruhig sind wie<br />

wir, ein paar bekannte Worte, die nicht anstrengen... Wir haben ganz bestimmt keine Lust zu spielen.<br />

Der junge Mensch ist weniger schnell erschöpft als wir, aber doch schon ein bisschen gesetzt. Abends<br />

geht er raus, um auf den Treppenstufen mit den Dorfmädchen zu plau<strong>der</strong>n..., das entspricht seinem<br />

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