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Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen

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Wirklichkeit, und heute nach drei Jahren darf man mit Stolz sagen, dass dies ungemein zur Hebung<br />

<strong>der</strong> Anteilnahme <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> am Unterricht beigetragen hat.<br />

Und so wird das gerade im Mittelpunkt des kindlichen Interesses stehende Thema behandelt und<br />

dann die Essenz <strong>der</strong> Aussprache in einem kleinen Aufsatz zusammengefasst. Dieser nun wird von<br />

zwei, drei Kin<strong>der</strong>n gesetzt, was nicht länger als 20 Minuten dauert, währenddem die übrigen sich mit<br />

an<strong>der</strong>en Arbeiten befassen. Nach dem Satz werden auf einer einfach Handpresse eine größere Anzahl<br />

Abzüge angefertigt, von denen je<strong>der</strong> Schüler einen erhalt, um ihn in seinem „Lebensbuch“ einzuheften.<br />

Auch die kranken Kin<strong>der</strong> bekommen diese gedruckten Unterrichtsergebnisse durch ihre Kameraden<br />

ins Haus getragen, und so sind auch sie immer mit dem Leben ihrer Klasse vertraut.<br />

Freilich lag die Gefahr nahe, dass man aus einer gewissen Beschränktheit des Unterrichtshorizontes<br />

heraus doch <strong>noch</strong> zu den unwillkommenen Lehrbüchern hätte greifen müssen. Da kam uns die erfreuliche<br />

Tatsache zu Hilfe, dass auch an<strong>der</strong>e, selbst ausländische Schulen, angeregt durch die günstigen<br />

Ergebnisse unseres Versuchs unser Beispiel nachahmten und mit uns einen regen Austausch <strong>der</strong><br />

gedruckten Unterrichtsextrakte begannen.<br />

Jeden Morgen um 10 Uhr, wenn <strong>der</strong> Postbote die Berichte <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schulen bringt, stürzen sich<br />

die Kin<strong>der</strong> mit Feuereifer darauf und verfolgen mit lebhafter Anteilnahme die Arbeiten <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ferne<br />

wohnenden Kameraden.<br />

Und so ist das einst verspottete Experiment „Buchdruckerkunst in <strong>der</strong> Schule“ zu einem schönen pädagogischen<br />

Erfolg geworden!“<br />

Nähere Auskünfte an Erzieher erteilt gern Célestin Freinet, Bar-sur-Loup (Alpes-Maritimes), Frankreich,<br />

in den Sprachen Französisch und Esperanto.<br />

(Aus Neue Erziehung, Bd. 10,1928/ S. 556 f.).<br />

Der junge Freinet, dafür liessen sich <strong>noch</strong> weitere Beispiele anführen, ist außerordentlich daran interessiert,<br />

seine Ideen in die aktuelle erziehungswissenschaftliche Diskussion zu bringen. Er sucht den<br />

Dialog mit führenden zeitgenössischen Reformpädagogen <strong>der</strong> „Ecole Active“ und <strong>der</strong> „Ecole Nouvelle“,<br />

mit internationalen Größen wie Adolphe Fernere, Ovide Decroly und Roger Cousinet.<br />

An<strong>der</strong>erseits interessiert er sich auch für die frühen libertären Schulversuche, die dem reformpädagogischen<br />

Mainstream vorangegangen sind: für Paul Robin und seine Ecole de Cempuis, für Sebastian<br />

Faures „Bienenkorb“, für Francisco Ferrer und seine Ecole Mo<strong>der</strong>ne. Zu Beginn <strong>der</strong> 30er Jahre studiert<br />

er die amerikanischen Konzeptionen:<br />

Winnetka-Plan, Dalton-Plan und Deweys Entwurf einer Laboratory-School. Und in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit den verschiedensten reformpädagogischen Ansätzen differenziert sich Freinets eigene Konzeption<br />

immer weiter aus.<br />

Als Reformpädagoge <strong>der</strong> zweiten Generation hat Freinet den Vorteil, sich aus <strong>der</strong> Palette <strong>der</strong> schon<br />

erfolgreichen Konzeptionen und Schulmodelle jene Elemente heraussuchen zu können, die in seine eigenen<br />

didaktischen und schulorganisatorischen Vorstellungen passen. Um Originalität und den Aufbau<br />

eines eigenen Begriffsapparates bemüht er sich dabei kaum. Vielmehr leiht er sich sein Vokabular bei<br />

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