Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen
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Freinet-Pädagogik und Erziehungswissenschaft ein gestörtes Verhältnis?<br />
von Herbert Hagstedt<br />
Die Selbstermahnung und Selbsterinnerung <strong>der</strong> Hochschulpädagogen, den Diskurs über Freinets<br />
Werk verstärkt zu führen (Preuss-Lausitz 1982), bedarf keines feierlichen Anlasses.<br />
Die Erziehungswissenschaft hat <strong>noch</strong> genug zu tun mit ihren elementaren affektiven<br />
Sicherheitsbedürfnissen. Horst Rumpf hat die „Rituale <strong>der</strong> Angstabwehr“ an <strong>der</strong> Hochschule treffend<br />
beschrieben (Rumpf 1983). Die Freinet-Pädagogik rüttelt mit ihren Innovationsimpulsen an den<br />
Stützpfeilern „bewährter“ hochschuldidaktischer Traditionen.<br />
In diesem Beitrag geht es mir um die Frage nach dem „gestörten Verhältnis“ zwischen Freinet-Pädagogik<br />
und Erziehungswissenschaft.<br />
In einer ersten Annäherung werde ich bei Freinet selbst nachfragen, wie er sein Verhältnis zur<br />
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beim frühen Freinet, <strong>der</strong> schon bei seinen ersten Auftritten in <strong>der</strong> Öffentlichkeit sein Konzept zur<br />
Diskussion stellt und verwandte reformpädagogische Ansätze als Ideenbörse nutzt;<br />
beim späten Freinet, <strong>der</strong> von Selbstzweifeln geplagt, zwischen massiver Wissenschaftskritik und<br />
Verehrung des Göttlichen <strong>der</strong> Wissenschaft hin und her schwankt.<br />
In einer weiteren Annäherung werde ich bei meiner Disziplin anklopfen und nachfragen, warum sie sich<br />
nicht wirklich mit <strong>der</strong> Freinet-Pädagogik auseinan<strong>der</strong>setzt:<br />
Welches sind die Gründe dafür, dass sich die Erziehungswissenschaft zwar heute verstärkt mit Fragen<br />
<strong>der</strong> reformpädagogischen Historiographie befasst, aber die Freinet-Pädagogik dabei Außen vor<br />
lasst?<br />
Im Dialog mit <strong>der</strong> zeitgenössischen Reformpädagogik: Der junge Freinet<br />
So stellt man sich eine Bil<strong>der</strong>buch-Karriere vor: ein Junglehrer, gerade erst im Schuldienst, „mit <strong>der</strong><br />
Erfahrung, die <strong>der</strong> eines Menschen vergleichbar ist, <strong>der</strong> sich ins Wasser stürzt, ohne schwimmen zu<br />
können“ (Elise Freinet 1981, S. 17). Bei seinen ersten Lehrversuchen muss er „vom Punkt Null“ ausgehen.<br />
Außerdem, so Elise, „wird er sich seiner geringen Kenntnisse in Bezug auf die Funktion des<br />
Lehrers bewusst: Es handelt sich um die Unwissenheit eines Anfängers, <strong>der</strong> sich in den schwierigen<br />
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Und doch drängt es diesen jungen Lehrer, seine <strong>noch</strong> frischen Erfahrungen sofort weiterzugeben wohlgemerkt:<br />
nicht etwa nur an die Kollegin <strong>der</strong> Nachbarschule. Er nimmt an internationalen pädagogischen<br />
Kongressen teil und besucht Versuchsund Reformschulen in ganz Europa.<br />
Schon ab 1926 berichten italienische, französische und deutsche Fachzeitschriften über die Neuerungen<br />
des jungen Lehrers.<br />
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nimmt er nicht nur als französischer Delegierter teil, son<strong>der</strong>n tritt schon als Referent auf. Sein Thema:<br />
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