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Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen

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die Kin<strong>der</strong> interessiert: Lehrhandlung und Lernaufgabe darauf läuft es in <strong>der</strong> Praxis hinaus, und zu<br />

recht, denn hierauf gründet sie, und daran wird sie gemessen. Dies wird beson<strong>der</strong>s deutlich in <strong>der</strong><br />

„Extremsituation Vertretungsunterricht“. Da lautet die Frage: „Welche Aufgaben liegen vor?“ Das fragen<br />

die Lehrkräfte nicht aus Faulheit, son<strong>der</strong>n weil sie in dieser Situation des unvorbereiteten Unterrichts<br />

reduzieren müssen auf das Grundverhältnis <strong>der</strong> Pädagogik und das genetisch wie logisch Einfachste.<br />

Tiefer kann man nicht gehen, sonst hört Pädagogik auf, aber mit Lernaufgaben in <strong>der</strong> Hand lässt sich<br />

schon recht hoch steigen. In diesem Sinne könnte man formulieren: Sage mir, welche Lernaufgabe du<br />

stellst, und ich sage dir, was du pädagogisch wert bist.<br />

Freinets revolutionäre Entwicklung <strong>der</strong> Lernaufgabe<br />

Diese Frage hat Freinet seinerzeit auf revolutionäre Weise beantwortet. Er organisierte seinen<br />

Unterricht von <strong>der</strong> Lernaufgabe her und orientierte die Kin<strong>der</strong> auf größere Selbsttätigkeit als damals<br />

üblich, indem er die Lernaufgaben so formulierte, dass sie weitgehend lehrerunabhängig erfüllt werden<br />

konnten. Schließlich legte er auch in großem Umfang die Arbeitszeitplanung und Arbeitskontrolle in die<br />

Hände <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Dadurch wurden u.a. <strong>der</strong> Frontalunterricht als Hauptform des Unterrichts und <strong>der</strong><br />

Klassenverband als einzige Lerngruppe aufgelöst und auf diejenigen Funktionen beschränkt, die sie<br />

erfüllen können und die ihnen eigentümlich sind.<br />

Nun will ich nicht so argumentieren, als ob durch Freinet die Lernaufgabe erfunden worden wäre es gab<br />

sie schon immer -, und ich will auch nicht behaupten, dass es nicht schon immer zahlreiche Lehrerinnen<br />

und Lehrer in vielen Schulen in aller Welt gegeben hätte und gibt, welche die Lernaufgabe als das begriffen<br />

haben, was sie ist, nein, es geht hier darum, dass Freinet die Lernaufgabe als Grundverhältnis<br />

und Grundkategorie <strong>der</strong> Pädagogik sowohl systematisch als auch systemisch weit über das damalige<br />

Niveau hinaus entwickelt hat, so weit, dass eine historisch höhere Qualität von Lernaufgabe und<br />

Unterricht möglich wurde mit internationaler schulreformerischer Wirkung.<br />

Freinets Absicht war es also nicht, ideelle Ziele zu setzen und zu erreichen, son<strong>der</strong>n mit Einsicht in<br />

den ontogenetischen Status von Kin<strong>der</strong>n durch Arbeitsmittel und Organisation des Umgangs mit diesen<br />

Mitteln, die Kin<strong>der</strong> selbständig arbeiten zu lassen. Dies können sie durch „tastende Versuche“<br />

tun. Somit erwerben sie die jeweilige Kultur durch eine Art genetischen Lehrgangs, indem sie ontogenetisch<br />

die Phylogenese rekapitulieren. Dabei war Arbeit Freinets Schlüsselwort. Er wandte sich<br />

gegen die „Spielschule“. Anstatt auf „pädagogische Liebe“ setzte er auf „pädagogische Technik“, d.h.,<br />

er verwarf nicht die Liebe <strong>der</strong> Eltern zu ihren Kin<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n die gefühligen Täuschungsmanöver von<br />

Lehrkräften, die vorgeben, alle Kin<strong>der</strong> lieben zu können, was auch darauf hinausläuft, sich ein gutes<br />

Gefühl zu verschaffen, selbst wenn man scheitert.<br />

Freinet versuchte, die Wi<strong>der</strong>sprüche zwischen <strong>der</strong> Selbstbewegung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und den schu-<br />

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Unterrichtsarrangement stellte und subjektives Bedürfnis und gesellschaftliches Erfor<strong>der</strong>nis vermittels<br />

seiner Lernaufgaben gleichermaßen zu ihrem Recht kommen ließ. Insgesamt versuchte er eine<br />

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