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Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen

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Herde und widmet sich völlig seiner erzieherischen Berufung... . Er ist kein <strong>Universität</strong>sgelehrter, er hat<br />

aber wirkliche tiefe und grundlegende Erfahrung gesammelt, nämlich die des Schäfers, des Arbeiters,<br />

die in ihm wie mit unauslöschbarer Tinte auf Pergament geschrieben ist. Das lässt die Bücherschreiber<br />

lächeln und ruft Mitleid bei ihnen hervor.“ (Elise Freinet, 1981, S. 85).<br />

Je älter <strong>der</strong> Schäfer wird, desto öfter legt er sich mit <strong>der</strong> Wissenschaft an. „Ich ehre die Wissenschaft,<br />

weil sie eine Art <strong>der</strong> Wahrheit ist, die den Fortbestand des Göttlichen in sich trägt. Aber lei<strong>der</strong> laufen<br />

wir hier einem Ideal von nicht fassbarer Klarheit hinterher. Wir müssten immer von <strong>der</strong> menschlichen<br />

Wissenschaft sprechen, um damit ihre Fehlbarkeit und relative Ohnmacht zum Ausdruck zu<br />

bringen“ (Freinet zitiert bei Elise Freinet, 1981, S. 156). Für Freinet wäre es notwendig, „dass die<br />

Wissenschaftler ihr mea culpa ablegten und dass sie selbst die schweren Irrtümer entlarvten, die dazu<br />

führten, dass im Namen <strong>der</strong> Wissenschaft unwissenschaftliche Praktiken gedeckt wurden und immer<br />

<strong>noch</strong> gedeckt werden, und dass sie das unermüdliche und ehrliche Experimentieren wie<strong>der</strong> zu Ehren<br />

kommen liessen, ebenso wie die beständige uneigennützige Forschung (Freinet 1854, zitiert bei Elise<br />

Freinet, 1981, S. 158).<br />

Bei dieser Art von Wissenschaftskritik wun<strong>der</strong>t man sich dann, dass <strong>der</strong> alte Freinet überhaupt <strong>noch</strong><br />

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de Vie“, wo er sich direkt an die Akademiker wendet, um sich ihrer Kritik zu stellen. „Er bot so das<br />

komplexe Werk einer Psychopädagogik“, so Elise Freinet, „zur Untersuchung und Beurteilung durch<br />

Erziehungswissenschaftler an, um das Aufspüren innerer Wi<strong>der</strong>sprüche zu ermöglichen.“<br />

Im ersten Heft <strong>der</strong> neuen <strong>Zeit</strong>schrift schreibt Freinet:<br />

„Unsere langjährige gemeinsame Arbeit gibt uns die auf Erfahrung gegründete Sicherheit <strong>der</strong> unbestreitbaren<br />

Überlegenheit unserer Pädagogik. Aber es wäre für uns und für diejenigen, die sich<br />

uns eines Tages anschließen werden ebenso gut ... wenn sie unsere Quellen ... prüfen und entdecken<br />

könnten und wenn sie unseren Elan, unsere Hoffnungen rechtfertigen und etwaige Irrtümer<br />

o<strong>der</strong> Unzulänglichkeiten korrigieren könnten ... . Deshalb appellieren wir ... an die Professoren aller<br />

Ausbildungsinstitutionen, an die Schulräte, an die Direktoren <strong>der</strong> Lehrerbildungsanstalten, an die<br />

Psychologen und die Psychiater, vorurteilslos mit uns das Phänomen Ecole Mo<strong>der</strong>ne, so wie wir es<br />

ihnen vorstellen, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus zu betrachten. Wir werden ihnen selbst un-<br />

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Zweifel mitteilen, aber wir bieten ihnen auch und vor allem ein weites Feld <strong>der</strong> Forschung an. Denn<br />

letzten Endes ist nicht die Theorie für uns ausschlaggebend, son<strong>der</strong>n ihre Umsetzung in die Praxis.“<br />

(Freinet 1959, zit. bei Elise Freinet 1981, S. 13f.).<br />

Muss die Erziehungswissenschaft ihn nicht doch ernst nehmen, den alten Schäfer?<br />

Zwischen Ignoranz und Avance im Wissenschafts“ betrieb: Freinet-Pädagogik heute<br />

Seit Ende <strong>der</strong> 80er Jahre, verstärkt <strong>noch</strong> zu Beginn <strong>der</strong> 90er Jahre, sind eine Vielzahl von neuen historiographischen<br />

Arbeiten über die Reformpädagogik erschienen. In den erziehungswissenschaftlichen<br />

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