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Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen

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Wenn mich Studierende in meinen Seminaren beispielsweise fragen: Was wird denn im Freinet-<br />

Unterricht aus den Lehrplänen- und Prüfungen? Und was ist denn, wenn ein Kind auf Mathematik<br />

einfach keine Lust hat? Lernt es dann keine Mathematik? Wie sieht es mit <strong>der</strong> Disziplin in diesem<br />

Unterricht aus? Und welche Autorität hat denn <strong>der</strong> Lehrer <strong>noch</strong>? Dann stellen sie, ohne es zu wissen,<br />

die gleichen Fragen, die schon Freinet vor 50 Jahren gestellt wurden.<br />

Woher sollten die angehenden Lehrerinnen und Lehrer auch an<strong>der</strong>e Fragen nehmen? Ihre Erfahrung<br />

basiert auf einem selektionsgeprägten Schulsystem und ihre Skepsis ist mit dem Studium reformpädagogischer<br />

Schriften alleine nicht zu überwinden, weil sie nicht daran glauben, dass etwas davon in<br />

dem von ihnen als Schülerinnen und Schüler und später auch im Schulpraktikum erlebten Schulsystem<br />

ungestraft umgesetzt werden kann. Damit verlieren reformpädagogische Inhalte für die Studierenden<br />

an praktisch-persönlicher Relevanz und bleiben abstraktes Buchwissen. Es sei denn, sie haben zugleich<br />

die Gelegenheit, ihre Erfahrungen mit Lernen und Unterricht zu erweitern und zu erleben, dass<br />

sie selber im vorhandenen Schulsystem gegen alle Wi<strong>der</strong>stände etwas verän<strong>der</strong>n können. Erst, wenn<br />

ihnen Verän<strong>der</strong>ung realisierbar erscheint, lohnt es sich, Wi<strong>der</strong>sprüche aufzugreifen und Fragen zu stellen,<br />

um sich eine eigene Position im Dickicht <strong>der</strong> Bildungsund Erziehungstheorien aufzubauen. Dann<br />

wird es bedeutsam, sich mit <strong>der</strong> Entwicklung von Kin<strong>der</strong>n, mit ihren Lebensbedingungen und mit ihren<br />

Interessen auseinan<strong>der</strong>zusetzen, um sich für ihre Rechte einsetzen zu können.<br />

Im Allgemeinen Schulpraktikum an ganz „normalen“ Schulklassen erkennen die Studierenden demgegenüber<br />

meistens nur wie<strong>der</strong>, was ihnen bereits aus <strong>der</strong> eigenen Schulzeit vertraut ist: Abarbeiten<br />

von Buch- o<strong>der</strong> Lehrplananfor<strong>der</strong>ungen auf <strong>der</strong> einen Seite und dompteurhaftes Meistern von<br />

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Stumpfsinn wehren, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Daraus leiten sie zweierlei ab: Erstens muss eine Lehrkraft<br />

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fügen; und zweitens benötigt sie allerlei kommunikative Techniken, um Störungen des Stundenverlaufs<br />

zu stoppen und Streithähne auseinan<strong>der</strong>zubringen. Ihr Studieninteresse bleibt auf <strong>der</strong> Ebene des<br />

Erwerbs von Techniken stecken. Nur in seltenen Fällen entwickelt sich darüber hinaus, daneben o<strong>der</strong><br />

trotz dieser reaktiven Praxiserfahrung, ein Interesse an <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Bildungstheorien.<br />

Die werden für die Prüfung als abfragbares, jonglierfähiges Wissen gelernt, bleiben ansonsten so<br />

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zitiert, um sich ihrer Mächtigkeit zu bedienen o<strong>der</strong> mit denen man spielt, Zug um Zug mit ihnen fährt,<br />

um die eigene argumentative Beweglichkeit zu demonstrieren.<br />

Der Wunsch <strong>der</strong> Studierenden nach mehr Praxisbezug bleibt ohne eigene praktische Erfahrung von<br />

Verän<strong>der</strong>barkeit des Althergebrachten auf den Erwerb von Bewältigungstechniken beschränkt. Erst mit<br />

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neue Qualitäten. Wo Neues entwickelt wird, ist die Diskussion <strong>der</strong> Orientierung, <strong>der</strong> Leitlinie, des ganz<br />

weit entfernten Bildungsziels notwendig. Dann muss ich wissen, wofür meine Arbeit sinnvoll ist, denn kein<br />

Buch und kein Lehrplan nimmt mir diese persönliche Auseinan<strong>der</strong>setzung ab. Und ich muss Strategien<br />

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