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Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen

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ins Zentrum unseres Schicksals stellt.<br />

Die Unkenntnis dieser Reihenfolge, die heute vollzogene Trennung von Spiel und Arbeit hat eine<br />

Reichweite für die Menschen, <strong>der</strong>en tragische Bedeutung man kaum ermessen kann. Diese Unkenntnis<br />

und diese Trennung stehen am Anfang <strong>der</strong> katastrophalen Entwertung <strong>der</strong> menschlichen Arbeit und wir<br />

müssen die für je<strong>der</strong>mann sichtbaren Folgen tragen. Wenn die Arbeit nur <strong>noch</strong> Mühsal, wenn sie kein<br />

Teil von uns ist, wenn das Spiel <strong>der</strong> neue trügerische, aber vielversprechende Gott wird, dann ist es<br />

normal, dass man <strong>der</strong> Arbeit zu entrinnen versucht o<strong>der</strong> dass man sie, wenn es nicht an<strong>der</strong>s geht, passiv,<br />

wie ein notwendiges Übel erträgt und das auch nur deshalb, weil sie die Befriedigung bestimmter<br />

neuer Genüsse erlaubt. Meinen Standpunkt als Bauer habe ich Ihnen schon mitgeteilt:<br />

an dem Tag, da <strong>der</strong> Landarbeiter seine Arbeit nicht mehr liebt, an dem er sie nur <strong>noch</strong> erledigt, um an<strong>der</strong>e,<br />

nebensächliche Bedürfnisse zu erfüllen, an diesem Tag wird die Erde nicht mehr unsere Mutter,<br />

son<strong>der</strong>n nur <strong>noch</strong> unsere Stiefmutter sein.“<br />

2. Spiele mit Arbeitscharakter („jeux-travaux“)<br />

„Ich bewun<strong>der</strong>e die Beweiskraft Ihrer Argumentation, Mathieu. Ich würde den Vorrang <strong>der</strong> Arbeit verstehen,<br />

zugeben, dass das Spiel nur eine nebensächliche Funktion des Ausgleichs hat, aber da bleibt<br />

dieser Einwand: woher kommt es, dass alle Kin<strong>der</strong> überall und immer so leidenschaftlich gern spielen?“<br />

„Weil lei<strong>der</strong> überall und immer die Kin<strong>der</strong> für Eindringlinge in eine Welt gehalten werden, die nicht für<br />

sie gemacht, die also auch nicht in ihrem Maß ist und die sich nicht in ihrem Rhythmus bewegt. Sie<br />

sind dann wie die Katzen, die in Wohnungen isoliert von <strong>der</strong> Außenwelt aufwachsen, wo sie niemals<br />

eine Maus o<strong>der</strong> einen Vogel sehen, auch keine Schmetterlinge o<strong>der</strong> Insekten. Ihre junge Energie will<br />

aber wirksam werden, die Muskeln müssen sich spannen, die Krallen wollen spielen, denn das liegt<br />

in ihrer Natur wie Schlafen und Fressen. Es kommt also zu einer teilweisen Anpassung an die neutrale<br />

und künstliche Umgebung. Sie verwenden ihre Energie im Spiel mit Korken, im Zerbeißen von<br />

Le<strong>der</strong>sohlen, im Verfolgen eines Wollfadens, <strong>der</strong> wie etwas Lebendiges schwebt und gleitet. Suchen<br />

Sie nach dem Zweck dieses Übungsspiels <strong>der</strong> natürliche Zweck fehlt: es wäre die Maus, auf die dies<br />

Kätzchen lauert, die endlich aus ihrem Loch kommt, die gefangen wird, indem die Krallen in ihren warmen<br />

Körper schlagen. Auch wenn dieses Ziel fehlt, befriedigt es die Katze sehr, wenn sie ihre Muskeln<br />

und Krallen spielen lassen und die instinktiven Gesten ausführen kann, die in ihrer Katzennatur liegen.<br />

Genauso ist es mit dem Kind: wenn das Leben um es herum, die gesellschaftlichen Erfor<strong>der</strong>nisse, die<br />

Gleichgültigkeit und <strong>der</strong> Egoismus <strong>der</strong> Erwachsenen ihm nicht gestatten, sich ganz dieser ihm wesentlichen<br />

Arbeit mit Spielcharakter hinzugeben, dann bleibt ihm trotzdem <strong>noch</strong> diese gebieterisch for<strong>der</strong>nde<br />

Energie. Sie kann einen Augenblick zurückgehalten werden und wir werden sehen, was dann mit ihr<br />

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(...)<br />

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