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Immer noch der Zeit voraus - Universität Bremen

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Le Bohec ist zwar davon überzeugt, dass wir diese Leistung nicht je<strong>der</strong>zeit selbst vollbringen müssen,<br />

weit viel von dieser Arbeit uns durch die Gruppe abgenommen wird, den<strong>noch</strong> müssen wir aufmerksam<br />

bleiben und die Mathematik erkennen, die manchmal verkleidet daherkommt. Der freie Ausdruck in<br />

Mathematik, und was sich daraus entwickelt, zeigt uns beson<strong>der</strong>s deutlich, was von uns gefor<strong>der</strong>t ist:<br />

die Bereitschaft zu verstehen, die in dem Vertrauen begründet liegt, dass die Kin<strong>der</strong> uns Wichtiges zu<br />

sagen haben, egal wie es daherkommt und unabhängig davon, ob wir Lehrer ihnen die Welt schon<br />

erklärt laben.<br />

In diesem Licht können wir uns jetzt auch <strong>der</strong> Fortsetzung von Szene 3 und Beispielen aus meinem<br />

Mathematikunterricht widmen:<br />

Vom Lob des Fehlers im Mathematikunterricht<br />

Nachdem Nuray und einige an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> ihr Unbehagen mit <strong>der</strong> Gleichung 3+1=2 geäußert hatten,<br />

erkannten an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> mit Hilfe Patricks Zeichnung, was er damit ausdrücken wollte:<br />

„3 Fische sind da, da kommt ein Hai dazu (3+1) und schwupp sind es nur <strong>noch</strong> 2 Fische.“<br />

Eine heftige Diskussion brach aus, in <strong>der</strong>en Verlauf mir deutlich wurde, dass mindestens ein Drittel <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> Patricks Schreibweise sofort akzeptierte und einmal zugelassen vehement verteidigte.<br />

3+1=2 entsprach ihrer mathematischen Schreibweise <strong>der</strong> Fischverschlingung.<br />

An<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> erkannten, dass <strong>der</strong> Hai ja auch ein Fisch ist und somit eine sprachliche „Unklarheit“ in<br />

dem Problem „drinsteckte“, die ihr Pendant in <strong>der</strong> Mathematik hat: Ist <strong>der</strong> Hai Element <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong><br />

Fische? Ich hatte Mühe mitzuschreiben und konnte nur einen kleinen Teil festhalten. Beson<strong>der</strong>s am<br />

Schluss ging es <strong>noch</strong>mals heftig darum, ob <strong>der</strong> Hai ein Fisch ist, und ob Fische sich denn gegenseitig<br />

fressen....<br />

In den nächsten Tagen tauchten vielfache Gleichungen in den Heften <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> auf, die zeigten, wie<br />

die einzelnen das Problem für sich weiterverarbeiteten.<br />

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verunsichert bei meinen Versuchen, zumindest für mich die immer komplizierteren Geschichten <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> und die Schulmathematik in Übereinstimmung zu bringen.<br />

Gleichzeitig faszinierte mich, wie die Kin<strong>der</strong>, ausgehend von Patricks Geschichte, versuchten, ihre<br />

eigenen Geschichten in Mathematik zu fassen. Die Abstraktionsleistung wurde dabei von den Kin<strong>der</strong>n<br />

immer wie<strong>der</strong> und immer wie<strong>der</strong> neu vollzogen, an den Geschichten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en und manchmal<br />

schmerzlich an <strong>der</strong> eigenen (siehe Protokolle). Dabei wurden neue Fehler gemacht und daraus wie<strong>der</strong><br />

neue Inhalte erarbeitet, zum Beispiel die negativen Zahlen. Es wurde mit <strong>der</strong> Gleichungsschreibweise<br />

gerungen, und zumindest ich erkannte, dass die übliche Schreibweise in Gleichungsform oft eher hin<strong>der</strong>lich<br />

ist.<br />

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