Qualitätsmanagement im Call Center - Prospektiv Gesellschaft für ...

Kapitel 6: Das Experiment: "Selbstorganisation im Call Center"
Das Konzept der Atem- und Stimmprävention in Call Center Organisationen stellt Psyche,
Atmung und Stimme in einen Wirkungszusammenhang, in dem Einflüsse auf
diese dreie Bereiche jeweils entweder positiv oder negativ rückwirken auf die anderen
Bereiche. Kurz gesagt: eine „nicht stimmige“ Arbeitsorganisation, die den Beschäftigten
keine Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume lässt, drückt nicht nur auf die Stimmung,
sondern auch auf die Stimme. Entfremdung von der Arbeit führt zu Verfremdung
der Stimme - diese Verfremdung ist einerseits Ausdruck einer Deformation der Person,
andererseits führt sie zu dauerhaften Fehlbelastungen des Stimmapparates, die zu
Stimmschädigungen führen; mit Konsequenzen auf psychische und physische Befindlichkeit
bis hin zu muskulären Verspannungen und Aphonie. In die Branche hinein soll
das Projekt Signalwirkung haben: damit das wichtigste Instrument des Agenten, die
Stimme, richtig „gestimmt“ ist, muss die gesamte Arbeitsorganisation auf die Stimme
zugeschnitten sein. So wird Fluktuation, Langzeitkrankheit, aber auch Qualitätshemmnissen
vorgebeugt. Das öffentliche Interesse an den Resultaten des Projektes begründete
das Interesse von Call Center-Betreibern an den in PASECCO entwickelten Maßnahmen
und wies der Tekomedia den Weg in den Markt anspruchsvoller Services
„rund um das Thema Call Center“, die nun ins Zentrum des Portfolio rückten. Dies hat
nicht nur wirtschaftliche Vorzüge: wie ein „trojanischer Retrovirus“ funktioniert
PASECCO (und im weiteren auch Schulungs- und Beratungsangebote) auch als
reentry des sozialpolitischen Ansatzes der Tekomedia in die Call Center-Branche hinein.
Denn selbstorganisiertes Arbeiten, mehr Freiheit für die Agenten, Abbau von Taylorisierung
und Hierarchien sind Voraussetzungen von Arbeits- und Servicequalität in
Call Centern - ohnedem stimmt die Stimme nicht und nichts ist stimmig. Erst die Call
Center Evolution kann das Call Center Dilemma Fluktuation/Krankenstand/innere
Kündigung lösen.
Innerbetrieblich erwies sich der Erfolg dieses Projektes (dessen Resultate die Tekomedia
auch auf sich selbst anwendet) als Initialzündung. Das Selbstbewusstsein, sich
im Folgenden auch an die Sektoren Beratung und Schulung heranzuwagen, war hergestellt
– wenn auch immer wieder gebrochen durch kollektive und individuelle Selbstzweifel.
Das operative Call Center-Geschäft wurde von der reinen „cash cow“ zu einem Labor
der Erprobung von Formen der Arbeitsorganisation, deren Transfer in den Markt der
telekommunikationsfokussierten Sprechberufe zum mittelfristigen Ziel der Tekomedia
wurde; vom Selbstversuch zur Produktverwertung lautete die Devise. Denn:
für Evaluationen, Consulting- Angebote und Schulungen existiert ein lukrativer Markt –
für die reine Erbringung von Call Center-Services zumindest im Inbound-Bereich erkennbar
nicht. Der stark projektabhängige und provisionslastige Outbound-Markt hingegen
kollidiert mit dem Ziel der Tekomedia, unbefristete Arbeitsplätze ohne leistungsbezogene
Vergütungssysteme zu bieten.
Gleichwohl: zur Erreichung der sozialen und ökonomischen Ziele der Tekomedia im
Zusammenhang mit den Etappen
� dialogintensive und -zentrierte Services anbieten zu können,
� sozial positive Lebensbedingungen in der Arbeit zu gewährleisten,
92