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Teil 1

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nungs-Konflikt mit dem Gefühl der Isolation und der Konflikt, jemanden inder Umarmung nicht festhalten zu können. Ich setzte mich deshalb zu demJungen, der zwar noch zentralisiert war, aber schon wieder ausreichendeKreislaufverhältnisse hatte, und fragte ihn, seit wann er solche Anfälle habe.Er sagte: „Seit einem Jahr." Seither habe er zwei- oder dreimal einen solchenAnfall bekommen. Ich fragte ihn, was vor dem ersten Anfall gewesensei. Er sagte: „Nichts." (Das stimmte ja und auch nein.) Dann fragte ich ihn,was denn das Allerschlimmste in seinem Leben gewesen sei, was er je erlebthabe. Er zuckte sofort bei dieser Frage, das bemerkte ich. Sein Schreckzeigte mir, daß ich auf der richtigen Spur war. Der Junge sagte: „Nichts."Denn die Lehrerin war dabei, und die Klassenkameraden standen an derTür. Die Lehrerin merkte auch, als ich sagte, er denke genau an das Richtige,genau das meine ich. Sie ging diskret hinaus und schloß die Tür. Wirwaren allein. Jetzt endlich brauchte der Junge keine Angst mehr zu haben,sich vor seinen Klassenkameraden zu blamieren (ein so großer 14jährigerJunge hat ja keine Angst zu haben ...).Er erzählte mir, das, woran er sofort habe denken müssen, sei das beiweitem schlimmste Erlebnis in seinem Leben gewesen, „das mit dem Krankenwagen."Damals war er wegen einer hochfieberhaften Grippe in einKrankenhaus eingewiesen worden. Und das Allerschlimmste sei die totaleIsolation gewesen, die panische Angst, allein gelassen von allen, mit Blaulicht20 km quer durch Hamburg, mit Kopfschmerzen und Grippe, vollerAngst, was man in dem Krankenhaus, in das er offenbar gefahren wurde,mit ihm machen würden. Das war vor einem Jahr gewesen. Ein oder zweiTage später, als sich die Welt schon wieder geordnet hatte, bekam er imKrankenhaus seinen ersten epileptischen Anfall. Solche Situationen derAngstpanik, des Alleingelassenseins, der Verlassenheit und Isolation hattensich in etwas weniger dramatischer Weise noch zweimal wiederholt. Immerhatte er danach, wenn schon alles wieder behoben war, einen Krampfanfallbekommen.Ich beruhigte den Jungen und erklärte ihm, der Abschiedsschmerz von derfranzösischen Familie, in der er sich sehr wohl gefühlt hatte, insbesonderevon seiner gleichaltrigen französischen Freundin, die er in dieser Familiekennen und auf seine vierzehnjährige spontane Art lieben gelernt hatte unddie ich ja heulend auf dem Bahnsteig hatte stehen sehen, habe bei ihm kurzfristigund sehr heftig wieder dieses Gefühl des Verlassenseins und der Isolationhervorgerufen. Genau wie damals, als er allein im Krankenwagen mitheulenden Sirenen und Blaulicht fast eine Stunde in panischer Angst undmenschlicher Isolation quer durch das große Hamburg gefahren wurde. Ersagte: „Ja, genau so ein Gefühl wie damals war es wieder." In dem Zug122

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