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Teil 1

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aber hatte ihn schnell seine Klasse wieder in ihre Mitte genommen, seineHamburger Welt hatte ihn wieder, der Konflikt war rasch gelöst.Die französischen Zugführer kamen nun und fragten mich, ob der Jungenun abtransportiert werden müsse. Ich sagte: „Nein, es ist alles in Ordnung."Zu dem Jungen sagte ich, er solle jetzt in den Speisewagen gehenund Kaffee oder Tee trinken. Er sagte, er habe aber kein Geld mehr. Ichdrückte ihm fünf Mark in die Hand, zwei Klassenkameradinnen hakten ihnunter und unter Triumphgeheul zog die ganze junge Bande ab ins Zugrestaurant.Sinn der Anordnung war, den übermäßigen Vagotonus abzubremsen,wodurch eine Wiederholung des Krampfanfalls sehr unwahrscheinlichwurde. Das Allerschlimmste, was dem Jungen hätte passieren können, wäregewesen, daß er - unter den Augen seiner Klassenkameraden - wieder mitBlaulicht und Sirenengeheul im Krankenwagen, diesmal auch wieder alleinaber in Frankreich, wieder eine Stunde bis zur nächsten neurologischenKlinik gefahren worden wäre, quasi eine exakte Wiederauflage seines soschlimmen Schockerlebnisses vor einem Jahr in Hamburg. Dann wäre ermöglicherweise für sein Leben lag Epileptiker geworden, bzw. dadurchgeblieben.Ich erklärte der Lehrerin die Zusammenhänge und bat sie, sich des Jungenanzunehmen. Mit der Zeit, wenn er älter werde, werde er sicherlich wenigerVerlassenheits-Angst haben. Das sei das ganze Geheimnis der „jugendlichenEpilepsie". Außerdem gab ich ihr mein Buch zu lesen und meinte, wenn siedas Kapitel über Epilepsie gelesen und verstanden habe, würden ihr dieZusammenhänge auch einleuchtend sein. Dann würde sie das Geschehenverstehen können, das sich soeben hier im Zug abgespielt habe und das nurdurch einen günstigen Zufall haarscharf an einer Katastrophe für den Jungenvorbeigegangen sei.Sie sagte: „Wo gibt es heute noch Ärzte, die sich für die Seele und dieÄngste eines Menschen interessieren und damit umzugehen wissen?" Ichsagte: „Und wer schickt uns die miesesten Streberlinge, die charakterlichnegative Auslese der Jugend, auf die Universitäten zum Medizinstudium,mit einer „l" im Abi-Zeugnis wegen gelungener A...kriecherei bei allenLehrern?" Sie wurde nachdenklich: „Vielleicht haben Sie recht."123

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