Überblicksstudie über die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur in ...
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Jugoslawien, knüpft sich nämliche e<strong>in</strong>e eigene Subkultur mit speziellen Riten <strong>und</strong> eigenem<br />
Habitus. Als Marko <strong>in</strong> <strong>die</strong> Heimat se<strong>in</strong>er Familie nach Bosnien fährt, erkennt er mehr denn je,<br />
wie sehr er zwischen allen Fronten sitzt: Dort ist er ke<strong>in</strong> Tschefur mehr, sondern e<strong>in</strong> Janez,<br />
d.h. e<strong>in</strong> „Scheiß-Typ aus Slowenien“. Allen <strong>über</strong> <strong>die</strong>se Begrifflichkeiten zeigt Vojnović <strong>die</strong><br />
komplexe Gemengelage der Nationen Ex-Jugoslawiens <strong>und</strong> führt <strong>die</strong>s drastisch vor, <strong>in</strong> dem er<br />
schlaglichtartig kurze, brisante Episoden ane<strong>in</strong>anderreiht <strong>und</strong> – ähnlich wie Pred<strong>in</strong> – Jargon<br />
<strong>und</strong> Soziolekte (den „Tschefurischen“) benutzt. Das Buch gilt als e<strong>in</strong>e der wichtigsten<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit dem Thema <strong>und</strong> ist nicht nur für Erwachsene, sondern auch für<br />
ältere Jugendliche e<strong>in</strong>e spannende, vor allem aber erhellende Lektüre.<br />
Die „Sprache der Straße“ geherrscht auch der wohl literarisch etablierteste des Trios Dušan<br />
Čater. Mit se<strong>in</strong>en Kurzgeschichten, <strong>die</strong> das Leben im geistigen <strong>und</strong> physischen<br />
Ausnahmezustand (Borderl<strong>in</strong>er, Exzentriker, Künstler) beschreiben <strong>und</strong> an <strong>die</strong> amerikanische<br />
Beatnik-Prosa der 1960er er<strong>in</strong>nern sollen, machte er bereits Ende der 1990er auf sich<br />
aufmerksam. Bis heute gilt Ati je spet pijan („Vater ist wieder betrunken“) als Čaters<br />
bedeutendster Titel im Bereich der Erwachsenenliteratur. Mit Pojdi z mano gel<strong>in</strong>gt dem<br />
Journalisten <strong>und</strong> slowenischem Biographen Marilyn Monroes <strong>und</strong> der Doors gleich e<strong>in</strong><br />
bee<strong>in</strong>druckendes Debüt: Jugendliche mit unterschiedlichem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, fünf Tage<br />
geme<strong>in</strong>sam auf Tour <strong>in</strong> der Wildnis ohne konkretes Ziel, sondern immer auf der Suche nach<br />
dem idealen Fotomotiv für e<strong>in</strong>en Wettbewerb; was folgt s<strong>in</strong>d fünf Tage Seelenforschung,<br />
psychologisches Belagern <strong>und</strong> unheimliche Begebenheiten. Während <strong>die</strong> Tour für e<strong>in</strong>ige <strong>die</strong><br />
Flucht vor Familie <strong>und</strong> dem eigenen verkorksten Leben ist (wie für den Protagonisten Manc),<br />
so ersche<strong>in</strong>t sie anderen als banales Abenteuer <strong>und</strong> Spritztour. Entsprechend wandelbar <strong>und</strong><br />
geschmeidig s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Beschreibungen Čaters, <strong>die</strong> mit der Kürze der Episoden e<strong>in</strong>en<br />
unglaublichen drive bekommen <strong>und</strong> irgendwann e<strong>in</strong>er Abfolge von Musikvideoklips zu<br />
gleichen sche<strong>in</strong>en. Doch Čater sorgt unterschwellig <strong>und</strong> geschickt dafür, dass der Roman<br />
nicht <strong>in</strong> jener, wenngleich <strong>über</strong>aus reizvoll geschriebenen Oberflächlichkeit stecken bleibt.<br />
Über <strong>die</strong> Figur Manc etabliert Čater Fragen nach dem S<strong>in</strong>n des Lebens, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der<br />
unbekannten, nicht e<strong>in</strong>schätzbaren <strong>und</strong> darum unheimlichen Welt außerhalb des vertrauten<br />
(urbanen) Dase<strong>in</strong>s immer dr<strong>in</strong>glicher ersche<strong>in</strong>en.<br />
Mit den Jugendromanen von Čater, Pred<strong>in</strong> <strong>und</strong> Vojnović beschreitet <strong>die</strong> slowenische<br />
<strong>Jugendliteratur</strong> neue Wege, fort von e<strong>in</strong>er vorrangig problemorientierten Prosa (Vidmar) h<strong>in</strong><br />
zu e<strong>in</strong>em popkulturellen Narrativ, das problematische Themen <strong>in</strong> sich <strong>in</strong>tegriert, aber auf<br />
postmoderne Erzählmuster wie dem Zitieren anderer Genres oder Me<strong>die</strong>n setzt <strong>und</strong> damit<br />
immer e<strong>in</strong>e gehörige Portion von Lässigkeit <strong>und</strong> Coolness transportieren will.<br />
Andrej Pred<strong>in</strong>:<br />
Učitelijce. Ljubljana: Modrijan 2010. (JB AB 15)<br />
Na zeleno vejo. Ljubljana: Modrijan 2007. (JB ab 15)<br />
Goran Vojnović:<br />
Čefurji 55 raus! Ljubljana: Študentska založba 2009. (JB/ All-Age ab 16)<br />
> dt. <strong>in</strong> Auszügen: Tschefuren raus! Übers. Sebastian Walcher. Auf:<br />
http://www.readcentral.org/uploads/files/vojnovic_cefurji_raus-ger.pdf<br />
Dušan Čater <strong>in</strong> Auswahl:<br />
Džehenem. Ljubljana: Študentska založba 2010. (Erw.)<br />
Pojdi z mano. Novo Mesto: Goga 2009. (JB/All-Age ab 14)<br />
Dt. mit fünf Erzählungen <strong>in</strong>: Zu zweit nirgendwo. Neue Erzählungen aus Slowenien.<br />
Übers. Berl<strong>in</strong>: Suhrkamp 2006. (Erw.)<br />
55 Detaillierter <strong>über</strong> den Begriff sowie Auszüge aus dem Roman auf Deutsch:<br />
http://www.readcentral.org/uploads/files/vojnovic_cefurji_raus-ger.pdf<br />
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