Überblicksstudie über die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur in ...

4.3.4 Neli Kodrič Filipić (*1964)
Die mehrfach für ihre gesellschaftskritischen Kinderbücher ausgezeichnete Neli Kodrič hat
sich vor allem mit zwei Titeln hervorgetan, einem Bilder- und einem Jugendbuch. Beide
thematisieren Gewalt. Für Bilderbücher ist diese Thematik außergewöhnlich, doch nicht nur
darum verdient Kodričs 2009 erschienenes „Das Mädchen und der Riese“ (Punčka in velikan)
eine Erwähnung. Das Buch erzählt in ausdrucksstarken Bildern des kroatischen Illustrators
Tomislav Torjanac von Gewalt in der Familie und davon, wie sich gewalttätiges Verhalten in
den nachfolgenden Generationen fortsetzt. Ein kleines Mädchen wächst bei einem launischen
Riesen auf, der sie nachts in ihren Träumen verfolgt. Über die feinen Andeutungen des Textes
und die Bilder wird der Leser behutsam aber deutlich darauf gestoßen, dass etwas in der
Beziehung zwischen Vater und Kind nicht stimmt. Das Mädchen selbst wächst zur Riesin
heran, die nun ihrerseits auf Gewalt als Erziehungsmaßnahme bei ihrem winzigen Jungen
setzt; in dieser Generation setzt jedoch ein Lerneffekt ein, denn der kleine Junge, der genauso
wie seine Mutter damals unter Alpträumen leidet, kann diese zur Einsicht bringen. Zusammen
mit den beeindruckenden Bildern vermittelt Punčka in velikan in beinah beängstigender Form
das Gefühl des wehrlosen Kindes gegenüber erwachsener Übermacht.
Auch das Kinderbuch Na drugi strani („Auf der anderen Seite“), das als Friedensbuch für die
Toleranz und Respekt gegenüber anderen Ethnien wirbt, dreht sich um Gewalttätigkeit. Neli
Kodrič Filipić erzählt auf zwei unterschiedlichen, scheinbar unverbundenen Zeitebenen zwei
Geschichten, die sich am Ende im gemeinsamen Thema der Konfliktbewältigung treffen: Am
Beispiel des slowenisch-italienischen Grenzgebietes während des zweiten Weltkrieges wird
die Story eines jungen Mannes aufgerollt, der die Feindlichkeit zwischen den Kriegsnationen
aber auch die zwischen ehemaligen Freunden wieder und wieder erfahren muss. Die zweite
Ebene des Buches spielt im „Hier und Jetzt“ und dreht sich um den Teenager Svita, die in der
Schule Ausländerfeindlichkeit und aggressives Mobbing hautnah miterlebt. Das Buch wurde
in Slowenien im Rahmen des nationalen Projektes Rastem s knjigo (Wachsen mit dem Buch)
zur Lektüreempfehlung für Schüler der siebten Klasse.
In Auswahl:
Punčka in velikan. Ill. Tomislav Torjanac (HR). Ljubljana: Mladinska knjiga 2009. (BB ab
7).
Na drugi strani. Ljubljana: Mladinska knjiga 2004. (JB ab 12)
4.3.5 Andrej Rozman Roza (*1955)
Andrej Rozman Roza gehört seit Jahren zu den wichtigsten Kinderbuchautoren, ist
Schriftsteller, Theaterregisseur und Musiker. Neben der Erwachsenenlyrik profitieren auch
seine Kinder- und Jugendgedichte (aber auch die anderen Texte) zweifelsohne von der
Musikalität des Autors, denn nicht nur der stilistische Schwung, sondern auch die Inhalte
erinnern zum Teil an typische Rocksongsujets. Das Poem Urška („Urška“ – Eigenname) von
2010 handelt beispielsweise von einem Motorradrocker, der nach einer wilden Partynacht mit
seinem Vehikel in den Tod rast. – Neben solchen Texten, die trotz des „kindlichen“
Bilderbuchgenres eher Jugendliche ansprechen, sind seine 2009 ausgezeichneten Rätsel für
jüngere Leser nicht nur Ratespaß, sondern aufgrund ihrer „poetischen Verpackung“ und
gereimten Form ein Lesevergnügen (Uganke und Uganke 100+1/ „Rätsel“ und „Rätsel
100+1“).
Für sein zweisprachiges, englisch-slowenisches Wendebuch Kako je Oskar postal
detektiv/How Oscar became a detective („Wie Oskar Detektiv wurde“) wurde Rozman Roza
2008 den Preis des slowenischen Schriftstellerverbandes für das beste Kinderbuch
ausgezeichnet. Warum? Weil Rozman Roza mit Oskar eine witzige und identifikatorische
Kinderfigur erfunden hat: Sein „Held“ ist ein kleiner Versager in der Schule und ähnlich wie
Andreas Steinhöfels Rico „tiefbegabt“; und genau wie Rico entwickelt Oskar auf unorthodoxe
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