Überblicksstudie über die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur in ...

5. TSCHECHIEN
5.1 Buchmarkt – Allgemein
In Tschechien liegt der Anteil des Kinderbuches am Gesamtmarkt seit einigen Jahren bei ca.
7,5%; er weise aber nach einer Krise zu Beginn der 2000er Jahre erneut eine steigende
Tendenz auf. 59 Dieser Aufschwung könnte jedoch durch Überlegungen des tschechischen
Finanzministeriums, die Umsatzsteuer (VAT) für Bücher nach einer Erhöhung 2009 nun
nochmals zu steigern (auf 20%), zunichte gemacht werden. Die Sorge der Verleger und
Aktiven im KJL-Bereich ist in Tschechien ist groß: Die Buchproduktion einheimischer Titel
werde durch jene steuerlichen Auflagen überaus unattraktiv und lohne sich kaum mehr. Dies
gelte insbesondere für die teure Bilderbuchproduktion, ein Bereich, der in Tschechien als
besonders stark angesehen wird. Die solide Zahl an Kinderbuchverlagen oder solchen mit
ausgeprägtem Kinderbuchsegment drohe in sich zusammenzufallen.
Kleinere, aber innovative Verlage wie RAKETA/LABYRINT, BAOBAB, der beinah
synonym für kreative, überaus künstlerische und außergewöhnliche Bilder- und Kinderbücher
steht, oder BRIO, der insbesondere reich illustrierte Märchensammlungen und Themenbücher
(„Geschichten über das Meer“, „Geschichten aus China“, usw.) herausgibt, sehen sich
gezwungen, die Produktion möglichweise einzuschränken. Gleiches gilt für den kleinen, aber
feinen Verlag MEANDER, der sich auf aufwendige, künstlerische Lyrik- und Erzählbände
konzentriert, oder den wundedrbaren Verlag PASEKA, der pro Jahr nur ca. fünf
Kinderbuchtitel herausgibt, und den Verlag PRÁH mit seinen großformatigen Sachbüchern.
Alle wären in Zukunft auf wahre Bestseller angewiesen, um mit ihren Programmen bestehen
zu können. Die großen Verlage wie der ehemalige staatliche Kinderbuchverlag ALBATROS
sowie MLADÁ FRONTA oder auch KNIŽNÍ KLUB (Euromedia) können die Preissteigerung
aufgrund ihres breiten Angebots (neben originalsprachlichen Ausgaben auch Titel und
Erwachsenenliteratur) wahrscheinlich ein wenig besser abfangen. 60
Doch auch etablierte Institutionen wie IBBY Tschechien oder das Projekt Rosteme s knihou
(„Großwerden mit Büchern“), die sich um die KJL bemühen und die sich in der
Leseförderung engagieren, sehen ebenso wie die Kinderbuchmesse in Liberec Problemen bei
der Umsetzung ihrer Arbeit entgegen.
Wie in allen anderen MSOE-Kinderbuchmärkten, so ist auch in Tschechien der Anteil an
übersetzten Titeln an den jährlichen Neuerscheinungen hoch. 61 Am Gesamtmarkt dominieren
englischsprachige Bücher, gefolgt von deutschen und französischen Titeln. 62 Die meisten
aktuellen, auch in Deutschland als Kassenschlager geltenden Titel, wie z.B. Jeff Kinneys
„Gregs Tagebuch“-Reihe oder der allgegenwärtige Thomas Brezina, sind auf dem
tschechischen Markt vertreten, daneben haben aber auch tiefergehende Titel, wie die von
Markus Zusak, eine Chance auf dem Buchmarkt.
Neben den Übersetzungen sind originalsprachliche Kinderbücher aus der Zwischenkriegszeit
sowie aus den 1960er Jahren populär, ebenso wie Adaptionen tschechischer Zeichentrick- und
Kinderfilme oder Fernsehserien (bestes Beispiel ist Zdenek Milers Krtek/ “Der kleine
Maulwurf“). 63 Diese „kostensparenden“ Publikationen könnten in Zukunft neben der
59 Der Statistik von Czech Book World (Svět knihy) zufolge, der Zeitschrift der zentralen tschechischen
Buchmesse, war die Zahl der KJL-Publikationen 2008 mit 1385 Titeln (Gesamtmarkt: 18520) so hoch wie seit
1989 nicht mehr.
60 Weitere Verlage: B4U-PUBLISHING, XYZ, PORTÁL, ARGO.
61 „In 2009 publishers in the Czech Republic set a new record for the number of publications in translation. Their
share of the total volume of Czech book production was almost exactly a third (33 %; 5,777 titles)…The Czech
Republic remains among the countries which produce the highest proportion of translated works in the world.”
Czech Book World 2010/2011, S. 7.
62 Eine konkrete Einschätzung über die sprachliche Verteilung im KJL-Segment gibt es nicht.
63 Kommerziell und auch literarisch besonders erfolgreich war 2010 das Buch zum Kinderfilm Kuki se vrací
(„Kuki kommt zurück“, Prag: Mladá fronta 2010) des seit 20 Jahren erfolgreichsten tschechischen Regisseurs
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