Wissen was wirkt | Wirkungsprofile 2015 der Ashoka Fellows
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Annette Habert<br />
Flechtwerk 2+1<br />
Was macht Flechtwerk 2+1?<br />
„Mein Papa wohnt am Bodensee. Er besucht mich jedes<br />
Wochenende. Aber das geht nur im Sommer. Da kann<br />
er ja im Auto schlafen. Kannst du da <strong>was</strong> machen?“ Der<br />
Wunsch des neunjährigen Sven war <strong>der</strong> Beginn von<br />
„Mein Papa kommt“, dem Besuchsprogramm für Kin<strong>der</strong><br />
mit zwei Elternhäusern.<br />
Getrennt lebende Eltern und ihre Kin<strong>der</strong> brauchen<br />
stabile Bindungen und die Gewissheit, dass je<strong>der</strong> von<br />
ihnen eingebunden ist in das Beziehungsgeflecht einer<br />
tragenden Gemeinschaft. Annette Habert stärkt pragmatisch<br />
das gesellschaftliche Engagement für die Bindungssicherheit<br />
von Kin<strong>der</strong>n in multilokalen Familien.<br />
„Mein Papa kommt“ vermittelt getrennt lebenden Eltern<br />
bundesweit ehrenamtliche Gastgeber am Wohnort des<br />
Kindes und stärkt sie durch ein pädagogisches Coaching<br />
in <strong>der</strong> Kompetenz zu einer Umgangsgestaltung über<br />
große räumliche Distanzen hinweg. Ein Anreiseweg von<br />
500 km ist für Flechtwerk-Eltern die Regel. Institutionelle<br />
Gastgeber ergänzen an Wochenenden dieses Angebot<br />
durch „Kin<strong>der</strong>zimmer auf Zeit“ z.B. in Kin<strong>der</strong>gärten.<br />
Flechtwerk 2+1 versteht sich als Brückenschlag zu bestehenden<br />
Angeboten <strong>der</strong> frühen Hilfen sowie <strong>der</strong> Familienbildung<br />
und setzt sich als Themenanwalt für die Realisierung<br />
des Umgangsrechtes in multilokalen Familien ein.<br />
Die Sozialunternehmerin<br />
Annette Habert ist Religionspädagogin und wuchs mit<br />
drei Geschwistern in einer stärkenden Komplettfamilie<br />
auf. Sie war alleinerziehend für zwei eigene Kin<strong>der</strong> sowie<br />
ein Pflegekind verantwortlich. Viele prägende Situationen<br />
aus dem eigenen Familienleben ließen sie, wie sie sagt,<br />
zur „Familien-Handwerkerin“ werden.<br />
Ausgelöst durch den Wunsch eines Kindes initiierte<br />
Annette Habert das bundesweite Besuchsprogramm<br />
„Mein Papa kommt“, durch das Eltern nach Trennungen<br />
mit ihren entfernt lebenden Kin<strong>der</strong>n verbunden bleiben<br />
können. Seitdem regt sie Entscheidungsträger in <strong>der</strong><br />
Familienbegleitung und -betreuung an, multilokale Familien<br />
noch stärker zu unterstützen. Mit dem Soziologen<br />
Jobst Mün<strong>der</strong>lein gründete sie 2012 die Flechtwerk 2+1<br />
gGmbH zur Stärkung von Kin<strong>der</strong>n mit zwei Elternhäusern.<br />
Annette Habert ist <strong>Ashoka</strong> Fellow seit 2014.<br />
Warum ist das wichtig?<br />
In Deutschland wachsen sechs von zehn Kin<strong>der</strong>n nach<br />
einer Trennung <strong>der</strong> Eltern in zwei Elternhäusern auf (DJI<br />
(2011): Growing Up in Germany). Individualisierungsund<br />
Flexibilisierungsprozesse verstärken dabei das Phänomen,<br />
<strong>der</strong> Multilokalität von Familie. Es fehlen gesellschaftliche<br />
Strukturen, die bei größeren Entfernungen<br />
zwischen den Eltern einen kindeswohlför<strong>der</strong>nden Umgang<br />
zwischen Eltern und Kin<strong>der</strong>n ermöglichen und die<br />
Besuchsschwelle für belastete Eltern reduzieren (erschwingliche<br />
Übernachtungsmöglichkeiten, ausreichende<br />
Räume auch für unbegleitete Eltern-Kind-Umgänge,<br />
Schul- und Erziehungsberatung am Wochenende etc.).<br />
Auch die Reisekosten sind we<strong>der</strong> im Unterhalt noch in<br />
den Lebenshaltungskosten des Arbeitslosengeldes berücksichtigt.<br />
Finanzielle, organisatorische und psychisch belastende<br />
Bedingungen führen oft zum Beziehungsabbruch zwischen<br />
Eltern und Kin<strong>der</strong>n mit destruktiven Folgen für die<br />
physische und psychische Gesundheit von Kin<strong>der</strong>n mit<br />
zwei Elternhäusern.