Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)
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Lesermeinung<br />
Dat wor en Naach! Was für<br />
ein Fest! Zlllchen total, nonstop<br />
fast 15 Stunden lang von 7 Uhr<br />
abends bis gegen 10 Uhr am<br />
nächsten Morgen; kleinere<br />
Pausen eingerechnet um etwas<br />
Nötiges zu tun z.B. Kaffee<br />
kochen und ein bißchen was<br />
müffelen. Ich luure nur noch<br />
viereckig. Und wenn ich nicht<br />
ganz schnell meiner Begeiste<br />
rung freien Auslauf gebe, dann<br />
platze ich. Weich ein Festival!<br />
Natürlich nicht das Platzen, son<br />
dern das Erlebnis dieser Nacht.<br />
Von den Globetrottern bis Mimi<br />
ein einziges, sprühendes Feuer<br />
werk. ein Rausch von Färben,<br />
schönen Stimmen, herrlichen<br />
Melodien, von Tänz, Humor.<br />
Witz, klugen Worten und Le<br />
bensweisheiten. Ein Augenund<br />
Ohrenschmaus. Gibt es<br />
auch einen Herzensschmaus?<br />
Wenn nicht, dann sei er hiermit<br />
für Zillchen erfunden. Wie kann<br />
man beschreiben, was unbe<br />
schreiblich ist, wie die Fäszination<br />
erklären, die von diesem<br />
Zillchen ausgeht. Die Ffeude, die<br />
Begeisterung, das Entzücken,<br />
nun, was auch immer, man<br />
kann es nur fühlen. Es ist nicht<br />
zu beschreiben oder zu erklä<br />
ren, und begreifen kann es nur<br />
der, der genau so empfindet.<br />
Gewiß, diese Divertissement<br />
chen waren für mich nicht ganz<br />
neu, ich hatte sie alle schon ge<br />
sehen im Opernhaus, im Fern<br />
sehen. Aber das ist zum Tfeil<br />
schon lange her, man vergißt.<br />
Es blieb nur die Erinnerung an<br />
etwas Schönes, an angenehm<br />
verlebte fröhliche Stunden.<br />
Erinnerungen sind ja ganz nett,<br />
aber nun ist sie greifbar, die<br />
Fteude. Ich halte sie in Händen,<br />
kleine bunte Pappschachteln<br />
gefüllt mit glücklichen Stunden,<br />
abrufbar, wiederholbar auf Jahr<br />
und Täg. Hoch lebe der Erfinder<br />
der Videogeräte. Und von gan<br />
zem Herzen ein Dankeschön an<br />
Herrn Höttecke, der seine kost<br />
bare Freizeit opferte, um uns<br />
allen so viel Fteude schenken zu<br />
können.<br />
Daß ein Gesangverein aus<br />
einer Ansammlung von Leuten<br />
mit guten Gesangsstimmen<br />
besteht, ist normal. Daß<br />
aber ein Männer-Gesangverein<br />
außer gutaussehenden Herren<br />
so viele schöne, temperament<br />
volle und charmante Damen auf<br />
die Bühne stellen kann, ist über<br />
aus ungewöhnlich. Ja einmalig.<br />
Schön und charmant sind sie<br />
alle, die Tfaudchen, Evchen,<br />
Nelly, Carmen, Ännchen, Mimi<br />
und wie sie alle heißen. Wenn ihr<br />
Gesang sie nicht verriete, käme<br />
man als Mann glatt auf die Idee,<br />
hier und da anbändeln zu wol<br />
len. (So wurde mir Jedenfalls<br />
von einem Herrn glaubhaft ver<br />
sichert). Kann man einer Zill<br />
chendame ein besseres Kompli<br />
ment machen?<br />
Und dann das Ballett! Richtig<br />
leckere Mäuschen auch die mit<br />
Schnäuz. Überhaupt die Tänze:<br />
diese Mischung aus Bolschoi<br />
(Volksausgabe), Buurekirmes,<br />
Folklore und Folies. Bewun<br />
dernswert die Präzision in der<br />
Ausführung klassischer Ballett<br />
schritte (besonders in der ,ersten<br />
Riege'), mitreißend die<br />
Cancans. Moulin Rouge läßt<br />
grüßen. Un auf wat für leckere<br />
Beincher die leckere Mäuscher<br />
erömhöppe! Einfach sexy!<br />
Divertissementchen bei Zill<br />
chen heißt aber vor allem Musik<br />
und Gesang in künstlerischer<br />
Vollendung. Aber man beachte<br />
auch die Tfexte. Wenn z.B. zu<br />
Puccinis edler Arie vom eiskal<br />
ten Händchen innig und<br />
schmelzend „He wör e iesskahl<br />
Hämmche un och Woosch vun<br />
Jeder Zoot" ertönt, wenn Mimi<br />
ihr herbes Schicksal zu Fäir-<br />
Lady-Melodien offenlegt und<br />
Tfaudchen zu Glucks Orpheus<br />
wahrhaft opernreif klagt, daß<br />
„die ärm drei Junge futtü sin"<br />
und es demzufolge „kei Gänhan<br />
mieh gitt", dann muß man doch<br />
einfach begeistert sein. (Man ist<br />
es auch, und wie!) Und die<br />
Ouvertüren, alle Jahre wieder<br />
ein musikalischer Hochgenuß,<br />
ein Streifzug querbeet über<br />
Volkslied, Oper, Schlager, Ope<br />
rette und AJuJa bis hin zu heh<br />
rem Beethoven, Selbst wenn<br />
auf getragene Klassik Dallas<br />
wie ein Hammer einschlägt, ist<br />
es ein sehr harmonischer Ham<br />
mer. Doch was soll der unmögli<br />
che Versuch, so etwas zu be<br />
schreiben, genießen muß man<br />
es. Es ist eben echt Zillchen d. h.<br />
unnachahmlich wunderschön.<br />
Kluge Leute werden es sicher<br />
schon gemerkt haben: ich bin<br />
ein Zillchen-Fän, genau so ver<br />
rückt und leidenschaftlich wie<br />
andere Fäns auch: die Wagne<br />
rianer z.B. oder die Füßball-<br />
Jecke. Nur nicht so intolerant<br />
und aggressiv, einfach nur aus<br />
übervollem Herzen.<br />
Und außerdem bin ich ver<br />
liebt, ein Leben lang unheilbar<br />
verliebt in eine Stadt, die Köln<br />
heißt. Diese Stadt, die meine<br />
frühen Jahre behütete, die mir<br />
ein einziger großer Spielplatz<br />
war und ein Buch voll wunder<br />
barer Bilder, Geschichten und<br />
Abenteuer. Diese Stadt mit<br />
ihren vielen Kirchen, Klöstern<br />
und altehrwürdigen Bauwer<br />
ken, mit ihren Straßen und Gäßchen<br />
von quirlendem, buntem<br />
Leben übersprudelnd: wo man<br />
abends aus den Fenstern leh<br />
nend und vor den Haustüren