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Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)

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Musik aktuell<br />

... und beides preist man weit<br />

und lang -<br />

die Gabe wie die Weise<br />

(R. Wagner)<br />

Leistungswillige Gruppen<br />

von Idealisten - gleich welchen<br />

Gebietes die einer Tätigkeit<br />

zur Ausübung und Pflege ihres<br />

Ideales in irgendeiner Weise<br />

nachgehen, haben neben aller<br />

Einsatzbereitschaft meist auch<br />

den nur allzu menschlichen<br />

Wunsch nach sozialer, mensch<br />

licher oder künstlerischer Aner<br />

kennung auf dem von ihnen beschrittenen<br />

Weg. Hier handelt<br />

es sich allerdings um eine<br />

durchaus legitime Art des Ehr<br />

geizes, denn viele Engage<br />

ments, die auf die Förderung,<br />

Beibehaltung oder Wiederher<br />

stellung bestimmter Werte<br />

ausgerichtet sind, schöpfen<br />

einen Großteil ihrer Wirksam<br />

keit nicht zuletzt aus der Popu<br />

larität derer, die sie ins Leben<br />

gerufen haben. Aus den vielfa<br />

chen Aktivitäten entsteht eine<br />

Mannigfaltigkeit verschiedener<br />

Wertmaßstäbe, welche dann<br />

zur Beurteilung erreichter Ziele<br />

und für die Zuerkennung von<br />

Popularität angelegt werden.<br />

Speziell auf dem Gebiet der<br />

Musik entfaltet sich eine<br />

beachtliche Bandbreite von<br />

Strategien, die Gunst eines<br />

möglichst großen Publikums zu<br />

ergattern, wobei häufig diese<br />

Gunst zum Selbstzweck wird<br />

und mit der Anerkennung<br />

künstlerischer Belange nur<br />

noch wenig zu tun hat. Hier ist in<br />

bezug auf Mutation (hier: neue<br />

Ideen) und Selektion (Auswahl<br />

durch erreichte Popularität) ein<br />

Vergleich zur Evolutionstheorie<br />

durchaus nicht abwegig.<br />

Aus den vielfachen Möglich<br />

kelten sei hier eine stellvertre<br />

tend herausgegriffen: <strong>Der</strong> Ver<br />

such, Qualität durch Quantität<br />

zu ersetzen. Daß dererlei Ambi<br />

tionen auf die Zustimmung<br />

einer breiten Basis rechnen<br />

können, ist durch die Beliebt<br />

heit von Massenchören, de<br />

ren Mitgliederzahien vierstellig<br />

sind, im Hinblick auf deren<br />

musikalische Leistungsfähig<br />

keit einwandfrei belegbar. Pro<br />

blematisch wird die Sache erst,<br />

wenn in einer Art Umkehrpro<br />

zeß, die Größe eines Chores<br />

oder Orchesters in den Augen<br />

der Kritiker zum alleinigen<br />

Beurteilungskriterium wird und<br />

die Qualität umgekehrt propor<br />

tional zur Größe erscheint. Da<br />

mit will gesagt sein, daß auch<br />

ein sehr großes Ensemble dem<br />

qualitativen Vergleich durchaus<br />

standhalten kann, wobei aller<br />

dings ein mit der Größe anstei<br />

gendes Maß an Disziplin und<br />

Einsatzbereitschaft die unbe<br />

dingte Voraussetzung ist.<br />

Sowohl zu seinen Lebzeiten<br />

wie auch heute, ist dies eines<br />

der zentralen Probleme, die in<br />

der Wagner-Kritik eine Rolle<br />

spielen. Wagners Drang zu<br />

Superlativen ist allerdings un<br />

bestreitbar. Die Länge seiner<br />

Werke jedoch nur mit dem Hin<br />

weis auf überstrapazierte Ge<br />

säßmuskeln In Frage zu stellen,<br />

erscheint ebenso zweifelhaft.<br />

Nach seinen ersten komposito<br />

rischen Gehversuchen schuf<br />

Wagner mit seinem „Rienzi" mit<br />

einer Länge von etwa sechs<br />

Stunden gleich einen Gegen<br />

satz zu herkömmlichen Wer<br />

ken, wie er gravierender kaum<br />

sein konnte. Ttotzdem erfreute<br />

sich dieses Werk großer Be<br />

liebtheit. Wenn auch diese<br />

Mammutlänge von den folgen<br />

den Werken nicht mehr er<br />

reicht wurde (mit Ausnahme<br />

einer nur in Fragmenten und als<br />

Skizze existierenden Oper<br />

„Jesus von Nazareth"), ist doch<br />

ein großer Teil der monumenta<br />

len Wirkung seiner Musikdra<br />

men auf deren zeitliche Aus<br />

dehnung zurückzuführen. Sieht<br />

man aber von Wagners Früh<br />

werken ab, so ist andererseits<br />

die Qualität, der künstlerische<br />

Gehalt und die kompositorische<br />

Dichte (man denke nur an den<br />

„Ring des Nibelungen") seiner<br />

Opern nicht zu bezweifeln und<br />

durch seine gleichrangige Stel<br />

lung unter seinesgleichen auch<br />

manifestiert.<br />

Die Länge geht also keines<br />

wegs immer auf Kosten des<br />

musikalischen Gehaltes. Dies<br />

aber ist nur dann möglich, wenn<br />

ein Künstler mit seinen Werken<br />

wächst und mit der Expansion<br />

seiner eigenen Ideale und<br />

Ttäume Schritt halten kann.<br />

Bleibt die Fähigkeit hinter der<br />

künstlerischen Phantasie zu<br />

rück, entsteht ein Vakuum,<br />

dem heutzutage viele „Wellen"<br />

(nicht nur die neue deutsche)<br />

zum Opfer fallen. Ausgewogen<br />

heit zwischen Zielen und Fähig<br />

keiten ist also unabdingbare<br />

Voraussetzung zum objektiven

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