Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)
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Musik aktudl<br />
... vergeudet Mancher oft viel<br />
Verstand,<br />
doch hält er auch damit haus;<br />
die schwache Stunde kommt<br />
für jeden, -<br />
da wird er dumm und läßt mit<br />
sich reden.<br />
R. Wagner<br />
Da soll noch Jemand behaup<br />
ten, Sixtus Beckmesser sei tot!<br />
Entspricht es der Wahrheit, daß<br />
nur Jener tot sei, dessen Geist<br />
keine Wirksamkeit mehr be<br />
sitze, so ist oben genannter<br />
Herr heute lebendiger denn Je.<br />
Nach vergeblichem Versuch, an<br />
dieser Stelle sein Unwesen zu<br />
treiben, avancierte er sogar zu<br />
einer Kölner Tägeszeitung und<br />
... übrigens gar nichts Neues:<br />
die „Beckmesser" gab es schon<br />
immer, auch bevor es den Beck<br />
messer gab, sont gäbe es ihn<br />
nämlich nicht!<br />
Um der notwendigen Klarheit<br />
willen, sei hier darauf hingewie<br />
sen, daß zwar die Figur des<br />
Beckmesser von Richard Wag<br />
ner stammt, nicht aber das Un<br />
wesen, welches Wagner In Ihr<br />
zu personifizieren versuchte.<br />
Allerdings beinhaltet die Aus<br />
einandersetzung mit dem<br />
„Beckmessertum" die Gefahr,<br />
sich immer dann hinter dieser<br />
Bezeichnung zu verstecken,<br />
wenn Herr Beckmesser seine<br />
Hände gar nicht im Spiele hatte.<br />
Gibt es aber eine erkennbare<br />
Handschrift dieses Herrn? Man<br />
zücke zur Ergründung dieser<br />
fundamentaien Frage einen be<br />
liebigen (!) Zeitungsartikel<br />
(möglichst aus neuerer Zeit)<br />
und überprüfe den Sprachstil<br />
auf beckmesserverdächtige<br />
Elemente: „Nehmen wir an, es<br />
wäre von „der Männer breitschult'ger<br />
Schar" die Rede, wo<br />
ein Männerchor gemeint ist, an<br />
die Stelle einer sakral-musikali<br />
schen Ausrichtung träte die re<br />
ligiös frömmelnde Stammtisch<br />
prosa (wo immer dieser aben<br />
teuerliche Zusammenhang her<br />
genommen sein mag) und der<br />
veraltete Begriff des Fortissimo<br />
würde durch die wissenschaftli<br />
chere Bezeichnung „Fafner-<br />
Dröhnen" ersetzt - wie gesagt<br />
nur einmal angenommen -<br />
dann könnte der Verfasser<br />
ohne weiteres Sixtus mit Vorna<br />
men heißen - wenn dieser<br />
heute noch üblich wäre.<br />
Nichtjeder von uns schreibt von<br />
Zeit zu Zeit eine Oper - dadurch<br />
gehen unsereinem Möglichkei<br />
ten der Reaktion auf verbeckmesserte<br />
Angriffe ab. Richard<br />
Wagner Jedenfalls konnte nur<br />
mit Mühe davon abgebracht<br />
werden, der bewußt lächerlich<br />
wirkenden Figur seines „Beck<br />
messer" den Namen „Hans<br />
Lick" zu geben, wobei natürlich<br />
die Ähnlichkeit mit dem Namen<br />
des in meinem letzten Artikel<br />
angesprochenen Herrn Eduard<br />
Hanslick eine rein zufällige ge<br />
wesen wäre. Andererseits soll<br />
te niemals in Vergessenheit ge<br />
raten, daß ohne die Existenz<br />
von gemäßigten Beckmessern<br />
Jeder Dirigent Karajan hieße. Je<br />
der Tenor Kollo oder Hoffmann<br />
und Jeder kleine Musiker Beet<br />
hoven. Wer nun nach der Grenze<br />
zwischen Eingebeckmessertem<br />
und Entbeckmessertem<br />
suchen möchte, der erinnere<br />
sich entweder an die Meinung<br />
des Musikkritikers George<br />
Bernhard Shaw: „Kritiker sind<br />
oft wie Eunuchen: sie wissen<br />
wie es gemacht wird, nur kön<br />
nen tun sie's nicht" oder ersetze<br />
in diesem beckmesserlastigen<br />
Artikel Jede diese Bezeichnun<br />
gen durch die Vorstellung des<br />
Merkers, des ewig nörgelnden<br />
Kritikers, des ,avocatus diaboli'<br />
der Musik, gegen den Richard<br />
Wagner sich mit der Schöpfung<br />
dieser Figur zur Wehr setzten<br />
wollte - und lese den Artikel<br />
noch einmal.<br />
Henning Jäger