Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)

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Mittwoch / Donnerstag, 16./17. November 1983 Watte für sensible Ohren „Kultursafari": Auftakt einer Reihe von Gesprächskonzerten VON CORNELIA ROST Der Dirigent erscheint im Freizeitdreß. Vorsorglich werden für empfindliche Ohren Wattebäusche verteilt. Auf der ersten „Kultursafari", zu der Dirigent Bernhard Lang in der Aula der Musikhochschule ein lud, ging es um „Großwild im Kulturpark": Unter den gefeier ten Komponisten ist Richard Wagner etwa ein Zehnender. Untertitel dieses Gesprächs konzertes: „Richard Wagner, der immergrüne Zankapfel mit seinen Ever- und Nevergreens". Und gezankt wurde auf dieser Safari (Text und Idee: Franz Hummel/Bernhard Lang) aus giebig: Hier sind es Vater und Sohn, die anläßlich des Tristan- Vorspiels (Städtisches Orche ster Solingen) in einen erhitz ten Streit um Qualität und Wirkung von Wagners Musik ausbrechen. Der Dirigent muß abklopfen. Dort ist es ein „Schullehrer" aus dem Publikum, den die Diskussion um Tristan-Harmonik animiert, auf die Bühne zu stürmen und dort mit pädagogi schem Eifer seine neue Erfin dung vorzustellen: Harmonie lehre und Akkordverbindungen lassen sich demnächst, von einem Computer ferngesteuert, auf der Leinwand vorführen. Daß angesichts solch theore tischer Fachsimpelei einem Trompeter aus dem Orchester der Kragen platzt, ist nur zu verständlich. Doch weit gefehlt, anzunehmen, der Vertreter einer Musikergattung, der man gemeinhin mehr Lunge als Hirn zugesteht, sträube sich gegen den intellektuellen Umgang mit Musik! Er erweist sich als Skeptiker und Denker, der en gagiert seine These von der Musikgeschichte als Spiegel ge sellschaftspolitischer Entwick lung vorträgt. Daß er dies in einem Pädagogen-Jargon tat, der nur allzu schnell dazu verleitete, seine Gedanken als hohle Theorie vom Tisch zu fegen, war allerdings schade. Dennoch verlief Bernhard Längs „Kultursafari" friedlich: führte sie doch überzeugend vor, daß Wagners „Evergreens" (Lied an den Abendstern und Fälgerchor aus „Tannhäuser" sowie das Preislied aus den „Meistersingern") in Entwurf und Wirkung gar nicht so weit entfernt sind von Schlagern der „U-Musik"; daß das „Ertrinken in Musik" (Isoldes Liebestod, Rosa Mihaylova) im Klanger lebnis durchaus Parallelen zur Musik der Gruppe „Pink Floyd" oder dem „Refrain für Orche ster" des zeitgenössischen Komponisten Henryk Mikolay Görecki erlaubt. Was allerdings der Herr aus dem Publikum, der sich so heftig dagegen wehrte, in einem Wagner-Konzert Beethovens ,Achte" zu hören, auf dem Herzen hat, das mag man in der zweiten Kultursafari, am Sonn tag, 11. Dezember, wiederum in der Musikhochschule erleben. >fiö(ncrcfaDt-3imclgcr „Kultursafari" mit Richard Wagner Wo sich Wagners Werk in Evergreens und Nevergreens scheidet, vermochte letztlich auch nicht die spritzige Kultur safari mit dem Städtischen Or chester Solingen und Gesangsso listen eindeutig zu bestimmen. Dies lag — für Dirigent und Mo derator Bernhard Lang — nicht nur an des Meisters hehren Klängen, sondern an der heute noch schwierigen Trennung zwischen U- und E-Musik. So tab es beim Vergleich des bahn rechenden „Tristan" mit dem „Refrain für Orchester" (1965) von Henryk Gorecki und mit zwei Stücken der Popgruppe „Pink Floyd" eine „Beweisfüh rung" von Zusammengehörigkei ten, die kaum überzeugte. Neben diesen „Salti mortali" hinterfragte man in der Musik hochschule in lustigen, biswei len überpointierten Sketchen auch die fragwürdige Aura des Freitag, 18. November,1983 Bayreuther Meisters, ohne je doch die Interpretation der ein zelnen Stücke in ihrem Niveau zu beeinträchtigen. Dabei über zeugten besonders die hohen Streicher bei schwierigen Be gleitfiguren in der „Tannhäuser"-Ouvertüre sowie Rosa Mi haylova mit ihrem voluminösen und unangestrengt wirkenden Sopran In „Isoldes Liebestoci". RSt
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