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Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)

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Lesenneinung<br />

„100 ieskahl Hämmche" oder:<br />

„Streß met der Requisite"<br />

Im diesjährigen Divertisse<br />

mentchen spielte ich als „Gretchen",<br />

der Haustochter der<br />

Wirtschaft Kolter, eine „tra<br />

gende" Rolle im wahrsten Sinne<br />

des Wortes: in der Szene im<br />

Wirtshaus Kolter sollte ich zu<br />

sammen mit meiner „Kollegin<br />

Lenchen" alias Winfried Bischoff<br />

einen nahezu realistischen Wirts<br />

hausbetrieb mimen: Kölsch<br />

verteilen. Hämmchen servie<br />

ren, 'ne Schnaps för et Fräulein<br />

Bömmelmann, Sekt für die fei<br />

nen Herrschaften und Krabben<br />

för de Fraulück. - An sich eine<br />

ganz normale Beschäftigung,<br />

die keinerlei Problematik in sich<br />

bergen konnte,jedoch...<br />

Einschließlich der General<br />

probe waren bei 20 Aufführun<br />

gen jeweils fünf Hämmchen,<br />

also insgesamt 100 Hämmchen<br />

aufzutragen. Für die Bereitstel<br />

lung solcher Gegenstände gibt<br />

es im Theater die „Requisite".<br />

Bei der Generalprobe, die aus<br />

unserer Sicht mit Recht ohne<br />

Publikum gespielt wurde, fehl<br />

ten einige Teller, es waren zuwe<br />

nig Hämmchen da, als Bestecke<br />

wurden u.a. Messer bereitge<br />

legt, mit denen man leicht einen<br />

mittleren Eber hätte zerlegen<br />

können, ein erheblicher Teil der<br />

Krabben war offenbar „verdun<br />

stet", womit ich niemandem zu<br />

nahe treten möchte. - Nach die<br />

sen Erfahrungen war es meiner<br />

„Kollegin" und mir angst und<br />

bange, wie wir in den kommen<br />

den echten Ausführungen un<br />

serer Aufgabe gerecht werden<br />

würden.<br />

Bei der Premiere lief fast alles<br />

sehr gut, bis auf die Tatsache,<br />

daß der Requisiteur bei der An<br />

lieferung der Hämmchen hinter<br />

den Kulissen stolperte und<br />

sämtliche Hämmchen den Büh<br />

nenboden kennenlernten. Da<br />

jedoch keiner der Hauptdarstel<br />

ler, die diese Hämmchen essen<br />

durften (mußten?), diesen Vor<br />

fall gesehen hatte, hoben wir<br />

die „Schweinereien" wieder auf,<br />

wischten sie an der Schürze ab<br />

und servierten sie mit freund<br />

licher Miene. - Geschmeckt<br />

haben sie trotzdem - es war<br />

fast wie im richtigen Leben.<br />

Die zum Verzehr der Hämm<br />

chen „verurteilten" Hauptak<br />

teure hatten naturgemäß diese<br />

nach kurzer Zeit satt, insbe<br />

sondere an den Sonntagen,<br />

an denen zwei Vorstellungen<br />

stattfanden. Das Problem<br />

wurde einerseits dadurch ge<br />

löst, daß einige andere Sänger<br />

sich bereits läge im voraus für<br />

ein Hämmchen anmeldeten,<br />

um damit die erforderliche Kon<br />

dition für die kommende Vor<br />

stellung zu schaffen, anderer<br />

seits gibt es im Kreise der Cäcilianer<br />

offenbar eine große An<br />

zahl von Besitzern sehr großer<br />

und freßwütiger Hunde: noch<br />

nie habe ich so oft den Kom<br />

mentar „dat es för minge<br />

Hunkl" gehört wie beim Ein<br />

packen möglichst mehrerer<br />

Hämmchen und einiger zusätz<br />

licher Würstchen. (Es gab auch<br />

schon 'mal das ehrliche Ge<br />

ständnis: „Datjitt och en prima<br />

Zuppl")<br />

Unter den stets benötigten<br />

fünf Hämmchen gab es ein be<br />

sonders großes und ausge<br />

wachsenes Exemplar, das in der<br />

Szene zwischen Rudi und Mimi<br />

einzeln präsentiert wurde.<br />

Wegen der bereits erwähnten<br />

besonderen Einstellung der Re<br />

quisiteure zur Pünktlichkeit war<br />

an einem Tag im entscheiden<br />

den Moment das Riesen-<br />

Hämmchen nicht hinter der<br />

Kulisse, wo es Rudi vom Balkon<br />

holen wollte. Zum Glück ließ er<br />

sich dadurch nicht verblüffen,<br />

sondern stellte sich mit einem<br />

kleinen Karton in der Hand auf<br />

die Bühne und tat so, als wäre<br />

dieser das schönste Hämm<br />

chen, das es in Köln je gegeben<br />

hat. (Den Kommentar sprach<br />

der Regisseur hinter der Szene.)<br />

Bei einer unserer vorsorglich<br />

und stets mit Bangen durchge<br />

führten Inspektionen der be<br />

reitgestellten Requisiten traf<br />

ich auf eine Menge amüsierter<br />

Sänger, die in das bereits hinter<br />

dem Vorhang aufgebaute Lokal<br />

Kolter starrte: dort lief munter<br />

und zielstrebig eine Maus in<br />

Richtung auf die. Eßbarkeiten.<br />

Zwar wurde sie schnell ver<br />

scheucht, aber von diesem<br />

Abend an hatte die Requisite<br />

die Ausrede: Ihr müßt Euch die<br />

Hämmchen jetzt immer bei uns<br />

abholen, denn sonst laufen die<br />

Mäus' damitweg! - Das warder<br />

Gipfel!

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