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Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)

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Für Freunde<br />

geschrieben<br />

Die Königin<br />

Ältere Zeitgenossen kennen<br />

noch gut solche Begriffe wie<br />

„baikanesisch,<br />

makedonisch<br />

und Walachei". Damit waren Re<br />

gionen gemeint, die - in Süd<br />

osteuropa gelegen - schlecht<br />

hin als unregierbar, rückstän<br />

dig, politisch und verwaltungs<br />

mäßig chaotisch und zivilisato<br />

risch unterentwickelt galten.<br />

Ais die Türken den Balkan im<br />

neunzehnten Jahrhundert nach<br />

vielen hundert Jahren der Be<br />

setzung und jahrzehntelangen<br />

Kämpfen bis auf einen kleinen<br />

Rest von 23 500 qkm (Ostthra<br />

kien) endgültig aufgeben muß<br />

ten, waren die dort lebenden<br />

Völker über die ganze Zeit hin<br />

weg in Jeder Weise geknebelt<br />

und unterdrückt gewesen. Un<br />

verzüglich wurden neue Staa<br />

ten gegründet Diese entspra<br />

chen jedoch in ihren Grenzen<br />

und den sprachlichen, rassi<br />

schen, stammesmäßigen und<br />

religiösen Inhalten nur wenig<br />

den Erfordernissen. Damit wa<br />

ren von Anfang an ständige<br />

Konflikte vorprogrammiert. Die<br />

europäischen Großmächte wa<br />

ren leider nicht - wie erforder<br />

lich - bei der Schlichtung der<br />

meist blutigen Auseinander<br />

setzungen - ehrliche Makler. Sie<br />

kochten - einjeder für sich - ei<br />

gene Süppchen. Die Ermordung<br />

des österreichischen Thronfol<br />

gers Ffanz-Ferdinand in Saraje<br />

wo entfachte 1914 den ersten<br />

Weltkrieg. Was damals als Kon<br />

fliktherd der Balkan war, ist<br />

heute der Nahe und Mittlere<br />

Osten. Die Pulverfässer stehen<br />

schon bereit. Wer mag wann<br />

und wo die Lunten legen?<br />

Unser Interesse in dieser Er<br />

zählung ist ganz auf Rumänien<br />

abgestellt, das nach langen Wir<br />

ren und Kämpfen seine Selb<br />

ständigkeit erst auf dem Berli<br />

ner Kongreß 1878 bestätigt er<br />

hielt Zuvor war der wegen zu<br />

weitgehender Reformen hart<br />

bekämpfte König Aiexander-<br />

Jean 1866 entmachtet worden.<br />

Ihm folgte als Carol 1. der Prinz<br />

Karl von Hohenzoiiern-Sigmaringen.<br />

Dieser heiratete 1869<br />

die gerade 26jährige Prinzessin<br />

Elisabeth zu Wied. Damit stelle<br />

ich meinen Lesern die Haupt<br />

person der nun folgenden Ge<br />

schichte vor.<br />

Doch gestatten Sie mir zuvor<br />

noch einige Anmerkungen. In<br />

der nachnapoleonischen Zeit,<br />

vielfach aber auch als Folge des<br />

Wiener Kongresses, holte sich<br />

eine Reihe von neu begründe<br />

ten Staaten ihre Regenten aus<br />

deutschen Adels- oder Fürstenhäusem.<br />

Ein Blick auf die Land<br />

karte oder in die Geschichte der<br />

damaligen Zeit offenbart, wie<br />

viele Könige sich heute noch ih<br />

rer deutschen Herkunft er<br />

freuen oder aber sie zu ver<br />

leugnen trachten. Die Kandida<br />

ten und schließlich Auserwähiten<br />

waren - Ausnahmen bestä<br />

tigen die Regel - durchweg un<br />

tadeliger Herkunft, musischer<br />

und humanistischer Bildung<br />

und moralisch gefestigt. In den<br />

vielen kleinen deutschen Resi<br />

denzen blühten Kunst und Wis<br />

senschaften. Goethe und Schil<br />

ler wirkten schließlich in dem<br />

kleinen Weimar und nicht in<br />

Berlin oder München. Auch war<br />

dem pflichtbewußten deut<br />

schen Adel die Befähigung ei<br />

gen, sich den neuen Verhältnis<br />

sen anzupassen.<br />

Ob diese Art der Selbstver<br />

leugnung allen Betroffenen im<br />

mer leicht gefallen Ist, erscheint<br />

■ ' tSR<br />

fraglich. Das Leben der jungen<br />

Königin Elisabeth von Rumä<br />

nien zeigt, daß sie - den heimat<br />

lichen Einwirkungen entzogen<br />

- schwer an ihren Pflichten zu<br />

tragen hatte. Dank ihrer Intelli<br />

genz erlernte sie schnell die ru<br />

mänische Sprache, die ja roma<br />

nischen Ursprungs ist, über<br />

setzte rumänische Dichtungen<br />

ins Deutsche, schrieb impres<br />

sionistische Lyrik, neuromanti<br />

sche Märchen, Baliaden und<br />

auch Unterhaitungsromane.<br />

Und da es für eine Königin nicht<br />

standesgemäß war, sich mit ei<br />

genem Namen künstlerisch zu<br />

betätigen, schrieb sie unter<br />

dem Pseudonym „Carmen<br />

Silva".<br />

Übrigens: die von und zu<br />

Wied waren ein durch und<br />

durch produktives Geschlecht<br />

Auf Anhieb fällt mir da der ehe<br />

malige Erzbischof von Köln Her<br />

mann von Wied (1515-1547)<br />

ein. Nach jahrelangen, vergebli<br />

chen Versuchen, eine kirchliche<br />

Reform im Sinne Roms durch<br />

zuführen, wandte er sich<br />

schließlich unter dem Einfluß<br />

Bucers und Melanchthons im<br />

mer mehr dem Reformator<br />

Martin Luther zu und trat zum<br />

protestantischen Glauben über.<br />

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