Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)
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mit einem zeitgenössischen<br />
Komponisten<br />
<strong>Der</strong> Kölner Komponist und<br />
Schriftsteller Dr. Walter Klefisch<br />
wellte am 20. Oktober <strong>1983</strong> auf<br />
Einladung zu einem Gespräch In<br />
der Wolkenburg.<br />
Sein „musikalisches Credo"<br />
hat er Im Jahre 1979 in einem<br />
Aufsatz für „Laboe aktuell" ge<br />
schrieben:<br />
„Ein kleines Lied, wie geht's<br />
nur an, daß man so lieb es<br />
haben kann...<br />
Chorgesang Ist Gemeinschafts<br />
gesang. Wer in einem Chor<br />
singt nimmt teil an einer sinn<br />
vollen Ordnung. Auch seine<br />
Stimme ist so ein Baustein zu ei<br />
nem Gebäude, das den Namen<br />
Kunstwerk trägt. Aber das<br />
Kunstwerk - wenn es diesen<br />
Namen verdient - ist nicht nur<br />
sinnvoll, es ist auch schön oder<br />
ausdrucksvoll. Noch für unsere<br />
Klassiker - Schiller nicht ausge<br />
nommen - war es außerdem<br />
noch selbstverständlich, daß<br />
ein Kunstwerk auch zum Genuß<br />
auffordern soll. Askese ist nicht<br />
Sache der Kunst, sondern Le<br />
bensbejahung und Steigerung<br />
des Lebensgefühis. - So haben<br />
die Großen aller Zeiten die Dich<br />
tung wie die Kunst überhaupt<br />
verstanden: der aitägyptische<br />
König Echnaton mit seiner<br />
„Sonnenhymne" schon vor<br />
3400 Jahren. König Salomen<br />
mit seinem „Hohen Lied", die<br />
Schöpfer der aittestamentarischen<br />
Psalmen, Homer, Theokrit,<br />
Virgil, Ovid, der persische<br />
Dichter Hafis, der geniale Chine<br />
se Li-tai-pe und nicht zuletzt un<br />
ser großer Goethe.<br />
Auch auf dem Gebiet des<br />
Chorgesangs gibt es Jedoch<br />
zwei Kategorien: die Kunstmu<br />
sik und die Volksmusik. Zur Zeit<br />
der Renaissance und dann wie<br />
der in der Zeit der Blüte der mu<br />
sikalischen Klassik in der zwei<br />
ten Hälfte des 18. J ahrhunderts<br />
bestand keine Kluft zwischen<br />
Kunstmusik und Volksmusik,<br />
Berufsmusikern und Liebha<br />
bern. In der Chormusik der Re<br />
naissance (die in Italien schon<br />
im 14. J. beginnt) ist der cantus<br />
firmus - sogar in den Messen -<br />
oft eine Voiksmeiodie. Und nicht<br />
nur In den köstlichen Diverti<br />
menti, Serenaden und Kassa<br />
tionen der Mannheimer und<br />
Wiener Klassiker, sondern auch<br />
in ihren Sinfonien und Streich<br />
quartetten sind zahlreiche The<br />
men Voiksmeiodien und sogar<br />
ganze Sätze aus der Volksmusik<br />
bzw. volkstümlichen Tänzmusik<br />
(Ländler z.B. u.a.) enthalten, in<br />
dieser „Hoch-Zeit" der Klassiker<br />
setzten sich sogar Kaiser, Köni<br />
ge und Erzbischöfe in die Orche<br />
ster der von ihnen angestellten<br />
und bezahlten Berufsmusiker,<br />
um teilzuhaben an dem aktiven<br />
Genuß sinnvollen und ästhe<br />
tisch schönen Geschehens. -<br />
Aus diesem Grunde muß die<br />
Volksmusik und die Pflege des<br />
Volksliedes im Chor stets die<br />
Basis allen Musizierens sein<br />
und bleiben. <strong>Der</strong> heutige<br />
Mensch aber, schwer bedrängt<br />
von Maschineniärm und Ar<br />
beitsstreß, braucht noch mehr<br />
als die Menschen früherer Zei<br />
ten Entspannung, Auflocke<br />
rung, Erheiterung und Begiükkung.<br />
Diese kann er, ungetrübt<br />
und ursprünglich, am schön<br />
sten finden in der Wiedergabe<br />
echter Volkslieder, die der Ffeude<br />
am Dasein und am Gesang<br />
ihre Existenz verdanken.<br />
Aus dieser Erkenntnis her<br />
aus habe ich mein Schaffen vor<br />
allem auf die Entdeckung, Über<br />
setzung und Chorbearbeitung<br />
der internationalen Folklore<br />
ausgerichtet. Von 21 Ländern<br />
habe ich bisher Volkslieder -<br />
meist erstmalig - publiziert in<br />
Deutschland, Österreich und in<br />
der Schweiz. Meine besondere<br />
Vorliebe gilt dabei Spanien, Süd<br />
amerika und Jugoslawien. -<br />
Meine beiden komischen Opern<br />
„Napoii" (Urauff. im NDR über<br />
alle deutschen und Österreich.<br />
TV-Sender) und „Don Po" sind<br />
daher nicht nur Voiksopern,<br />
sondern auch Voiksiieder-<br />
Opern mit Voikstexten und<br />
Voikstypen (eine von mir ge<br />
schaffene Gattung). - Die heuti<br />
ge Jugend wünscht - wie alle<br />
Jugend - lebendige, lebensbe<br />
jahende und vor allem rhyth<br />
misch betonte Musik. Daher<br />
sind meine Sätze bzw. Bearbei<br />
tungen spanischer, südameri<br />
kanischer, aber auch jugoslawi<br />
scher und russischer Volkslie<br />
der sehr beliebt und erfolgreich.<br />
Den höchsten Wert aber erhält<br />
die Volksmusik - wie alle Musik<br />
und echte Kunst überhaupt -<br />
durch das Band, das die Völker<br />
durch die Musik zu gegenseiti<br />
gem Kennenlernen und der da<br />
durch sich ergebenden Fteundschaft<br />
verbindet.<br />
Dr. Walter Kiefisch, Köln"