Der Burgbote 1983 (Jahrgang 63)
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Für Freunde<br />
geschrieben<br />
dieses Extraktes ist der mit Ab<br />
stand beste, einfallsreichste<br />
Sprecher des Vereins, dessen<br />
allwöchentliche Ankündigun<br />
gen, Schnurren und Maßrege<br />
lungen von den Sängern gera<br />
dezu mit Spannung erwartet<br />
werden. Doch hüte ich mich, ei<br />
nen Namen zu nennen. Viel<br />
leicht kommen Sie auch so<br />
d'rauf. Da heißt es in dem Lei<br />
tartikel u, a,: „Auch für die Ein<br />
reichung allgemein interessie<br />
render Artikel sind wir<br />
dankbar." Nach den zuvor gege<br />
benen zahlreichen Beispielen<br />
sind Sie jetzt zweifellos befä<br />
higt, den beanstandeten Satz<br />
gefälliger zu formulieren. Sollte<br />
diese Jedoch mißlingen, vermu<br />
te ich, daß Ihre Schulausbildung<br />
zwar kostenios, dafür aber lei<br />
der umsonst war.<br />
Unlängst fand ich im Archiv<br />
eine Kritik, die ich Ihnen wegen<br />
gleich zweier Mängel nicht vor<br />
enthalten möchte. Da heißt es:<br />
„Das Konzert des KMGV kann<br />
mit Fug und Recht als ein geiungenes<br />
bezeichnet werden."<br />
Einmal wird hier eine veraltete<br />
Redeform benutzt und zum<br />
zweiten dürfen die dem Haupt<br />
wort nachgesetzten Eigen<br />
schaftswörter nicht gebeugt<br />
werden. Aber -, Kritik ist billig<br />
und auch ich verstoße ständig<br />
gegen geltende Regeln.<br />
Sollte sich der KMGV In sei<br />
nem Mltgllederstamm einmal<br />
verjüngen, werden wir uns viel<br />
leicht noch mit den zum Teil<br />
„irren Sprechblasen" mancher<br />
Jugendlicher zu beschäftigen<br />
haben. Stellen Sie sich vor,<br />
„Schneewittchen" wäre in den<br />
siebziger Jahren geschrieben.<br />
wären die Hauptfiguren zum ei<br />
nen ein „steiler Zahn" und zum<br />
anderen ein „cooler Typ"; und<br />
die Erzählung wäre gespickt<br />
mit Begriffen wie „astrein,<br />
Zucker, tierisch, Klasse, Spitze,<br />
Glotze, ausklinken, ausflippen,<br />
null Bock haben, auf was ste<br />
hen, auf den Geist gehen". Si<br />
cherlich wäre es „logo", daß<br />
man dieses kaum „im Kopf aus<br />
halten könnte". Doch hat die Er<br />
fahrung gelehrt, daß diese<br />
Sprachunsitten sich schnell und<br />
zwar zumeist dann abbauen,<br />
wenn die „Maloche" beginnt<br />
Gefährlicher erscheint da die<br />
Sprache der Technik. Unterhal<br />
tungselektronik, Fotografie,<br />
Computer, Programmsteue<br />
rung und Motorisierung bedie<br />
nen sich ausschließlich der eng<br />
lischen Sprache und Kennzeich<br />
nung. Auch die deutschen Her<br />
steller bemühen sich nicht, für<br />
die 150 Millionen Menschen, die<br />
deutsch sprechen und verste<br />
hen, verständliche Bedienungs<br />
zeichen anzubieten. Auf diesem<br />
großen Markt, haben wir uns<br />
sprachlich von der Weltöffent<br />
lichkeit verabschiedet. Da hätte<br />
der zu träge und zu anspruchs<br />
lose Verbraucher ruhig einmal<br />
Forderungen erheben müssen.<br />
Jede Mahnung, das sprachliche<br />
Erbe unserer Väter zu erwer<br />
ben, zu pflegen und zu gebrau<br />
chen scheint da vergeblich. Ich<br />
habe meine berechtigten Zwei<br />
fel, ob es unseren Schriftstel<br />
lern wie z. B. Adalbert Stifter,<br />
Theodor Storm, Gustav Frey<br />
tag und Conrad Ferdinand<br />
Meyer oder unseren Klassikern<br />
jemals noch gelingt, ihrem<br />
Schicksal, gehobene Staubträ<br />
ger In den Bücherwänden deut<br />
scher Wohnstuben geworden<br />
zu sein, zu entfleuchen. Bei aller<br />
Nostalgie und allem guten Wil<br />
len der heutigen Generation<br />
steht der Sinn der meisten Bür<br />
ger nicht nach Sprachvollen<br />
dung und Lesebereltschaft,<br />
sondern nach In Sesseln zu ge<br />
nießender „Actlon". Da leisten<br />
die sogenannten „Blldzeltungen"<br />
mit großen Überschriften,<br />
viel Bildern und wenig echten<br />
Informationen, und neuerliche<br />
Versuche, die Zahl der Program<br />
me im Fernsehen extrem zu<br />
mehren, schlechte Dienste. Das<br />
gute Buch und das Gespräch In<br />
der Familie werden da mit<br />
Sicherheit zu kurz kommen. Das<br />
ist ein böses und unbefriedi<br />
gendes Kapitel der Sprachent<br />
wicklung.<br />
„Alle Jahre wieder kommt<br />
das Chrlstuskindl" Und Injedem<br />
Jahr erfreuen wir Sänger viele<br />
Zuhörer mit alten vertauten<br />
Weihnachtsklängen. <strong>Der</strong> Höhe<br />
punkt einer jeden Feierstunde<br />
ist für mich immer wieder das<br />
Anstimmen der „Weihnachts<br />
glocken" (<strong>Der</strong> schönste Klang)<br />
mit dem Text von Schulte von<br />
Brühl und der Musik unseres<br />
ehemaligen Dirigenten Josef<br />
Schwartz. Diese Chorwerk er<br />
greift mich oft so stark, daß ich<br />
vor innerer Rührung nicht wei<br />
tersingen kann.<br />
<strong>Der</strong> mehrere hundert Jahre<br />
alte Text Ist vor seiner Verto<br />
nung in's Hochdeutsche über<br />
tragen worden. Offensichtlich<br />
hatte sich in den früheren Jah<br />
ren noch niemand über eine<br />
nicht unerhebliche sprachliche<br />
Unebenheit ernstlich Gedanken<br />
gemacht. Aus dem kölnischen<br />
Dialekt kennen wir alle die fol<br />
gende oder eine ähnliche Rede<br />
wendung: „Ich bin älder als<br />
wie's do." Hört man solches,<br />
wird verständnisinnig ge<br />
schmunzelt, denn ein jeder<br />
weiß, daß diese Redewendung<br />
falsch ist; aber es ist die Heimat<br />
sprache.