Jonathan lernt leben_v3.08_Buch_Druckversion

„Du könntest mal eine Abklärung machen.“
„Hä? Warum denn?“
„Wegen einer Aufmerksamkeitsstörung. Meine
Cousine hat auch so was.“
„Ich glaub nicht, dass ich eine Störung habe.“
„Es könnte aber sein.“
Jonathan antwortet nicht mehr. Er glaubt nicht, dass er eine
Aufmerksamkeitsstörung hat. Klar, er kann sich nicht
konzentrieren, aber er kann ja nichts richtig. Das liegt nicht
an irgendeiner Krankheit, Jonathan weiss einfach nicht, wie
man richtig lebt. Irgendwie ist er ein Mensch, aber da ist
einiges schief gegangen bei ihm. Er ist einfach ein schlechter
Mensch. Nicht ein böser Mensch, aber er ist nicht so
geschickt, nicht so kontrolliert, nicht so fähig, nicht so
normal, nicht so glücklich wie andere.
Das zeigt sich auch im Sport, weswegen Jonathan die Klingel
verwünscht, als ihm schmerzhaft bewusst wird, dass er in
der nächsten Stunde Sportunterricht hat. Er macht nicht
ungerne Sport, aber er ist nicht gut und Männer müssen ja
auch immer so schrecklich ehrgeizig sein. Dazu kommt, dass
Sportlehrer die Sorte von Lehrer sind, die sich Anerkennung
von ihren Schülern wünschen, was darauf hinausläuft, dass
man im Sportunterricht nur Spiele spielt, bei denen man
gewinnen oder verlieren kann. Kraftübungen sind
langweilig, denn dabei kann man nicht zeigen, dass man
besser als alle anderen ist.
Jonathan hasst schon alleine das Umziehen. In solchen
Momenten wünscht er sich, er wäre ein Mädchen. In der
Jungengarderobe ist es immer laut und es wird fast immer
geprügelt, weil der Sportlehrer nicht hinein darf. Und wie
der Wurm, der er ist, verkriecht sich Jonathan in die
hinterste Ecke, um sich umzuziehen. Mit seiner neuen Aura
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