Michael Evers - bei föpäd.net
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Lese-Rechtschreibschwäche 5<br />
Bei der angeborenen Störung ist bereits der Erwerb des Lesens und Schreibens<br />
gestört. In diesem Fall bestehen die Ursachen schon vor Beginn des Schriftsprach-<br />
erwerbs. Im Allgemeinen wird in solchen Fällen von einer Lese-Rechtschreibschwäche<br />
(LRS) oder von einer Legasthenie gesprochen, von der in der Regel Kinder betroffen<br />
sind, die gerade das Lesen und (Recht-) Schreiben erlernen. Genau diese Erwerbs-<br />
störung der schriftsprachlichen Fähigkeiten soll im folgenden näher betrachtet werden.<br />
1.1 Zum Begriff<br />
Das Syndrom der Lese-Rechtschreibschwäche wurde erstmals Ende des letzten Jahr-<br />
hunderts von den Medizinern MORGAN und HINCHELWOOD beschrieben. Die erste<br />
Monographie zu diesem Thema mit dem Titel „Die Leseschwäche und Rechen-<br />
schwäche der Schulkinder im Lichte des Experiments“ wurde 1916 von RANSCHBURG<br />
veröffentlicht (vgl. SCHENK-DANZIGER 1991, S.19). Er führte auch den Begriff der<br />
„Legasthenie“ ein. Dieser Begriff ist eine Wortschöpfung aus dem griechischen Wort-<br />
stamm „leg“ für „lesen“ und dem griechischen Wort „asthenia“, das Schwäche<br />
bedeutet. Wörtlich übersetzt heißt „Legasthenie“ also „Leseschwäche“ (vgl. DUMMER-<br />
SMOCH 1994, S. 12).<br />
Bemerkenswert ist, daß RANSCHBURG <strong>bei</strong> seiner Beschreibung der Legasthenie kein<br />
Intelligenzkriterium anlegte. Dies tat jedoch Maria LINDER, die den Begriff der<br />
Legasthenie mit dem Kriterium der normalen bzw. überdurchschnittlichen Intelligenz<br />
verknüpfte. Erwähnenswert erscheint dies, da die Definition von LINDER für die<br />
Begriffsentwicklung und die Erforschung des Syndroms in Deutschland lange Zeit<br />
ausschlaggebend war (vgl. SCHEERER-NEUMANN 1989, S. 18).<br />
„Unter ‚Legasthenie‘ verstehen wir demnach eine spezielle und aus dem<br />
Rahmen der üblichen Leistungen fallende Schwäche im Erlernen des<br />
Lesens (und indirekt auch des selbständigen orthographischen Schreibens)<br />
<strong>bei</strong> sonst intakter oder (im Verhältnis zur Lesefähigkeit) relativ guter Intelligenz.<br />
[Der Verfasser: Ausgeschlossen werden da<strong>bei</strong> jene Arten von LRS,<br />
die] durch gewöhnlichen Schwachsinn, durch manifeste Gesichts- und Gehörstörungen<br />
oder sonstige körperliche Behinderungen erklärlich sind, oder<br />
aber durch mangelnde Übung infolge von Krankheit, Fehlen von Schule,<br />
Sprach- und Schulwechsel oder durch ungewöhnliche Schulumstände […]<br />
oder durch schlechte Schulmethoden oder offensichtlich gestörte Lehrer-<br />
Schüler-Beziehungen hervorgerufen werden. Wenn wir dementsprechend<br />
von einer ‚Legasthenie‘ sprechen, so verstehen wir, daß ein Kind unter <strong>bei</strong><br />
uns ‚landläufig‘ normalen Schulverhältnissen, trotz allen Bemühungen der<br />
Erwachsenen, und nicht erklärlich durch Debilität, das Lesen (und<br />
Schreiben) nicht oder nur mit größter Mühe erlernen kann, während in den<br />
anderen Fächern keine entsprechenden Schwierigkeiten bestehen“ (LINDER<br />
zit. n. SCHEERER-NEUMANN 1989, S. 18).<br />
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