Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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Self Culture: <strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong> Bildungskonzept<br />
des Verhaltens bezieht, verliert im 19. Jahrhundert die Anwendung auf Äußerlichkeiten<br />
an Bedeutung und es tritt die Anwendung auf den geistig-seelischen<br />
Bereich stärker hervor. 24 Die Grundlagen für diese Entwicklung sind im ausgehenden 18.<br />
Jahrhundert zu suchen: Durch die Wirkungen des Pietismus erfährt der Bildungsbegriff<br />
eine Humanisierung und Pädagogisierung und wird zunehmend auf die geistige und<br />
seelische Bildung des Menschen bezogen. 25 In einem engen Zusammenhang mit der<br />
pietistischen Deutung des Begriffs steht die naturphilosophische<br />
Betrachtungsweise, die etwa von Paracelsus oder Leibniz vertreten wird und die<br />
unter Bildung die „geistig-seelische, nicht zufällige, sondern im Ursprung angelegte<br />
Formung und Entwicklung des Menschen“ versteht. 26 Im Zuge der Aufklärung tritt<br />
der pädagogische Aspekt stärker hervor, und der Begriff ‚Bildung‘ wird als ein<br />
Synonym für Erziehung verwendet, was sich durch Herders, Fichtes und Goethes<br />
Bestimmung des Begriffs verändert. Herder weitet den Bildungsbegriff aus und<br />
bezeichnet unter Bildung nicht Erziehung oder Lehre, sondern „‚lebendiges‘<br />
Wirken des Lehrenden und Aktivität des Sich-Bildenden“. Er bezieht dieses<br />
Konzept nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern auf die Bildung ganzer<br />
Völker. 27 Wie Herder erweitert auch Fichte den Bildungsbegriff und betont, dass<br />
die Aufgabe des Einzelnen wie der Nation darin bestehe, sich zu bilden.<br />
In diesem Kapitel sind Aspekte von Goethes Bildungskonzept vorzustellen,<br />
mit denen <strong>Margaret</strong> Fuller sich beschäftigt, um ihr eigenes Konzept zu entwickeln.<br />
Es ist darzulegen, dass sich <strong>Fullers</strong> Goethe-Rezeption deutlich von der Rezeption<br />
anderer Transzendentalisten unterscheidet, da sie bestimmte Ideen Goethes adaptiert<br />
und sie auf die Situation der Frau bezieht. Fuller verarbeitet Goethes Konzept<br />
des Dämonischen und sein Konzept der Idee und stellt unter Berücksichtigung der<br />
Vorstellungen des deutschen Dichters eine Theorie der <strong>Selbstbildung</strong> auf, die sie<br />
auf ihr Weiblichkeitsbild bezieht. In diesem Zusammenhang wird <strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong><br />
Auffassung von self-culture vorzustellen sein. Eine Analyse von <strong>Fullers</strong> unveröffentlichten<br />
Aufzeichnungen zu ihrer geplanten Goethe-Biographie Life of Goethe zeigt,<br />
wie intensiv sich die Amerikanerin mit dem Leben und den Werken des deutschen<br />
Dichters beschäftigt. Des Weiteren wird darzustellen sein, dass Fuller ein ausgeprägtes<br />
Interesse an Goethes Frauenfiguren entwickelt und dass verschiedene<br />
Charaktere ihr Konzept von Weiblichkeit maßgeblich bestimmen. Fuller stellt einen<br />
Katalog von Frauen vor, die die ideale Weiblichkeit repräsentieren. Es gilt zu<br />
zeigen, dass Goethes Frauenfiguren eine zentrale Bedeutung innerhalb dieser<br />
Gruppe von Figuren einnehmen. In dem abschließenden Abschnitt dieses Kapitels<br />
24 Vgl. VIERHAUS, „Bildung“, 509-10.<br />
25 Vgl. LICHTENSTEIN, „Bildung“, 9.<br />
26 VIERHAUS, „Bildung“, 510.<br />
27 VIERHAUS, „Bildung“, 515. In Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit stellt Herder<br />
Analogien zwischen der Bildung und Entwicklung des Einzelnen und der der Menschheit<br />
fest. Bildung wird nicht als ein planmäßiger Prozess aufgefasst, sondern als das Wirken von<br />
Natur und Geschichte.