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Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...

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Self Culture: <strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong> Bildungskonzept 127<br />

denen der Gesellschaft zu vermitteln. Fuller übernimmt Goethes These, dass sich<br />

das Selbst in der tätigen Auseinandersetzung mit der Umwelt bildet, und lehnt die<br />

reine Introspektion als Form der <strong>Selbstbildung</strong> ab. Aus ihrer Beschäftigung mit<br />

Goethes Schriften zieht die Amerikanerin die Erkenntnis, dass die Identität eines<br />

Menschen nicht starr ist, sondern dass sich das Selbst in der Begegnung mit der<br />

Umwelt stetig weiter entwickelt. Obwohl diese Auffassung Fuller mit Optimismus<br />

füllt und ihr vor Augen führt, welche Möglichkeiten sich dem Einzelnen bieten,<br />

erfährt sie, dass das Selbst eine reflexionswürdige Entität ist. Sie muss erkennen,<br />

dass es nicht jedem Menschen vergönnt ist, eine Balance zwischen sozialer und<br />

persönlicher Identität zu erreichen. Wie im Verlauf dieses Kapitels gezeigt werden<br />

soll, sieht Fuller eine Diskrepanz zwischen den Entwicklungsmöglichkeiten des<br />

männlichen und des weiblichen Selbst. Sie betont, dass die Bildung des Selbst in der<br />

menschlichen Natur verankert sei, und bezieht die Prinzipien der Transzendentalisten<br />

auf die Entfaltungsmöglichkeiten der Frau. Fuller sieht die Notwendigkeit,<br />

der besonderen gesellschaftlichen Situation der Frau gerecht zu werden,<br />

und betont, dass es ein grundlegendes Bedürfnis eines jeden Menschen sei, sich zu<br />

entfalten: „For human beings are not so constituted that they can live without<br />

expansion[.]“ 89 In Woman in the Nineteenth Century bezieht sich Fuller auf die Situation<br />

der Frau im 19. Jahrhundert und legt dar, dass äußere Umstände die individuelle<br />

Entfaltung der Frau deutlich behinderten. Sie bedient sich eines Bildes aus der<br />

organischen Welt, um zu illustrieren, dass das Selbst bestimmter äußerer Umstände<br />

bedürfe, um sich angemessen zu bilden: „The tree cannot come to flower till its root be<br />

free from the cankering worm, and its whole growth open to air and light.“ 90<br />

Die Beschäftigung mit Emersons doctrines of self-culture und self-reliance zeigt<br />

Fuller, wie wichtig Introspektion für die Bildung des Selbst ist, und führt ihr vor<br />

Augen, dass self-reliance mit der Erforschung des eigenen Selbst beginnt. 91 Angesichts<br />

ihrer persönlichen Situation wird Fuller klar, dass Emersons Konzept sich<br />

nicht im Einklang mit der sozialen Wirklichkeit befindet und sich nicht auf die<br />

Möglichkeiten der Frau beziehen lässt. Sie begreift früh, dass die reine Introspektion<br />

keine Veränderungen in der Gesellschaft herbeiführen kann, und sieht auch die<br />

Insuffizient von Channings Konzept, das zwar fordert, die Bildung des Selbst des<br />

Einzelnen solle eine Verbesserung der Gesellschaft bewirken, aber nicht berücksichtigt,<br />

dass in der Gesellschaft der Frau nicht dieselben Entwicklungsmöglichkeiten<br />

wie dem Mann gegeben sind. Fuller adaptiert Goethes Bildungskonzept, das<br />

die äußere Welt mit einbezieht und der Situation der Frau gerecht wird. Während<br />

Goethe in Wilhelm Meister Idealfiguren wie Natalie, Therese oder Makarie vorstellt,<br />

die den Lebensmittelpunkt auf die Bildung ihres Selbst legen, widmet sich Fuller<br />

auch den Schwierigkeiten, mit denen eine Frau konfrontiert wird, die sich um die<br />

Entfaltung ihres Selbst bemüht.<br />

89 FULLER, „The Great Lawsuit“, 13.<br />

90 FULLER, Woman in the Nineteenth Century, 10.<br />

91 Vgl. BELASCO-SMITH, „The Extension of Self-Culture“, 36.

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