Margaret Fullers transnationales Projekt : Selbstbildung, feminine ...
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Bilder des Weiblichen: <strong>Margaret</strong> Fuller und die frühromantische Schule<br />
inneren Welt zuzuwenden. Stimuliert durch die Nacht kann der Mensch Zugang zu<br />
Bereichen seiner Psyche gewinnen, die während des Tages unzugänglich sind. 60<br />
Erlöst vom Alltag wird die Erzählerfigur in <strong>Fullers</strong> Blumenstück Zeuge der<br />
Naturschönheiten und erhält Einblick in die eigene Psyche. Wie die Sprecherin in<br />
„Yuca Filamentosa“ glaubt auch Fuller mit den Blumen auf eine mystische Art<br />
verbunden zu sein, wie sie in einem unveröffentlichten Manuskript erläutert. Fuller<br />
betont, dass die Blumen ihr näher stünden als anderen Menschen und beschreibt<br />
die sympathetische Beziehung zwischen sich und den Blumen: „I culled the most<br />
beautiful. I looked on them on every side, I kissed them, I pressed them to my bosom<br />
with passionate emotions I have never dared to express to any human being.“ 61<br />
Die Einzigartigkeit von <strong>Margaret</strong> <strong>Fullers</strong> Blumensymbolismus gewinnt an<br />
Bedeutung, wenn sie eine zentrale Eigenschaft der Magnolia betont, die in Novalis’<br />
Konzept der blauen Blume nicht enthalten ist. Trotz der auffälligen Ähnlichkeiten<br />
zwischen der blauen Blume und der exotischen Pflanze, die Fuller in „The<br />
Magnolia of Lake Pontchartrain“ vorstellt, weicht Fuller in entscheidenden Punkten<br />
von ihrem Bezugstext ab. Während der Protagonist in Novalis’ Heinrich von<br />
Ofterdingen seinen Horizont erweitert und zum Dichter reift, die blaue Blume<br />
allerdings statisch bleibt, entwickeln sich in <strong>Fullers</strong> Stück sowohl der Erzähler als<br />
auch die Blume. Die königliche Magnolia berichtet dem Erzähler von ihrer<br />
Entwicklung von einer Orangenblüte, die keine Eigenständigkeit besitzt, zu einer<br />
unabhängigen Blume. Über ihre unglückliche Zeit der Abhängigkeit, in der sie ihr<br />
wahres Selbst nicht entfalten konnte, berichtet die Magnolia:<br />
‘I was never silent. I was never alone. I had a voice for every season,<br />
for day and night. On me the merchant counted, the bride looked to<br />
me for her garland, the nobleman for the chief ornament of his<br />
princely hall, and the poor man for his wealth. All sang my praises, all<br />
extolled my beauty, all blessed my beneficence. And, for a while my<br />
heart swelled with pride and pleasure. But as years passed, my mood<br />
changed. [...] I had no mine or thine, I belonged to all, I could never<br />
rest, I was never at one.’ 62<br />
Anhand der Figur der Magnolia, die das weibliche Selbst verkörpert, illustriert<br />
<strong>Margaret</strong> Fuller die Situation der Frau, die, eingebunden in ihr traditionelles<br />
gesellschaftliches Umfeld, keine Erfüllung finden kann, da es die Gesellschaft ihr<br />
60 In Novalis’ Hymnen an die Nacht ist die Nacht die Zeit, in der der Mensch in die Tiefen<br />
seiner Psyche dringen kann: „Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen,<br />
geheimnisvollen Nacht. Fernab liegt die Welt – in eine tiefe Gruft versenkt – wüst und<br />
einsam ist ihre Stelle. In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich<br />
hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. – Fernen der Erinnerung, Wünsche<br />
der Jugend, der Kindheit Träume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und<br />
vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne<br />
Untergang.“ NOVALIS, Hymnen an die Nacht, 41.<br />
61 Anhang C.1.<br />
62 FULLER, „The Magnolia of Lake Pontchartrain“, 302.